Serifos ist nicht weit weg, so 10 oder 15 Meilen. Wenn man das aber segeln will und der Wind nicht ganz mit der Route einverstanden ist, dann kann das auch fast doppelt so lang werden. Wir haben aber kein Problem damit aufzukreuzen.
Der Wind ist mit 15 kt aus Nord angesagt und die Wellen sollen so knapp einen Meter hoch sein. Klingt doch prima! Also das Boot zusammenpacken und den Anker heraufziehen. Gleich noch in der Bucht wird das Großsegel gesetzt, konservativ nur im 1 ½. Reff. An der Ausfahrt von Buchten, da kann der Wind oft ungestüme Dinge treiben. Da wollen wir vorbereitet sein – und gut so! An der Ecke pfeift es richtig von hinten aus der Bucht (E-Wind) und der Wind der die Küste entlang streicht (N-Wind) treffen sich und machen einen unberechenbaren Wirbel.
Sobald wir da durch sind, hat der N-Wind die Oberhand gewonnen und wir können unsere Segelgarderobe und Segelstellungen optimieren. Mit fast 6,5 kt läuft Philia durch das Wasser. Die Richtung stimmt halt nicht! Vor der ersten Wende warten wir aber noch die Schnellfähre nach Kamares ab und tun ihr es dann gleich. Zumindest die Einfahrt nach Kamares können wir anlegen, auch wenn wir dort nicht hinwollen.
Zu unserer Überraschung dreht der Wind an der Nordspitze von Sifnos ein Stück nach Nordost, und so können wir gleich einmal die Mitte von Serifos anlegen. Livadi geht sich nicht aus, da wollen wir auch noch nicht in. Und die Bucht Koutals, die Bergwerksbucht, liegt sogar etwas im Lee. Die Sache läuft.
Wir nutzen die Zeit und die Sonne, um wieder frisches Trinkwasser aus dem Meerwasser heraus zu pressen. Der Wassermacher muss sich an die Arbeit machen, die Sonne liefert den Strom dazu. Über 90 Liter werden das heute, so dass wir mit vollen Wasserflaschen und fast vollen Tanks in die Bergwerksbucht einlaufen können.
Erstaunlich wenig los, für die Hochsaison im August. Eine Superyacht, 3 andere Segelschiffe – zumindest am Anfang. Wir sind ja sehr früh dran, kurz nach 12 Uhr. Da kommt schon noch so einiges nach, und die Tagesausflügler sind auch noch unterwegs. Das sind die unangenehmsten Gäste in der Bucht. Die nehmen kaum Rücksicht auf die langen Ankerketten der „Übernachtungsgäste“, quetschen sich irgendwie dazwischen. Aber immerhin, sie verschwinden auch wieder.
Irgendwann am Nachmittag kommt ein sehr seltsamer Katamaran in die Bucht: Sehr breit, zwei (!) 15 m hohe Masten, auf jedem Rumpf einer, auf den tragflügelähnliche Segel hochgezogen werden und jede mögliche Fläche ist mir Solarzellen beklebt. Es ist das Schiff ENERGY OBSERVER 1 (EO1) ist ein Labor und Versuchsträger für emissionsfreie Schifffahrt. Aus Sonne wird Wasserstoff gemacht und der, immer wenn Bedarf besteht, in Brennstoffzellen zu Strom umgewandelt, der dann die beiden 40 kW Motoren antreibt. Und wenn der Wind bläst, wird gesegelt. Mehr Info zu dem Projekt gibt es hier.
Wir hingegen genießen das glasklare Wasser (26°) und die warme aber nicht heiße Luft (28°) und machen so richtig Urlaub. Für Magdalena und Lorenz ist es immerhin der vorletzte Tag am Schiff.
Am nächsten Tag, so gegen Mittag, machen wir uns auf den Weg nach Livadi, der Hafenstadt von Serifos. Der Wind ist gegen uns oder zu schwach, aber die eine Stunde unter Motor, das halten wir aus. Der verfügbare Ankerbereich ist eine recht schmale Sichel. Schmal, weil der Badebereich die flachen Bereiche in Anspruch nimmt und der Boden dann recht steil auf 10 bis 15 m abfällt. Uns ist es nie angenehm, den Anker einfach in tiefem, vielleicht auch noch trübem Wasser verschwinden zu sehen und nicht zu wissen, auf welchem Grund er liegt.

Aber wir finden einen Kompromiss mit 10m und gerade noch sichtbarem Sand – passt also. Wir nützen die Chance uns zu verproviantieren: Die nächste Woche ist Meltemi mit Böen bis knapp an die 37 kt angesagt. Die wollen wir in der Bucht Ormos Koutals, der Bergwerksbucht, überstehen. Wenn’s schon pfeift, dann soll wenigstens das Wasser sauber und rund um uns viel Platz sein. Also werden mit dem Dinghi Lebensmittel aufs Boot geschafft.
Während ich das erledige, schauen sich die anderen die Stadt einwenig an. Zufällig treffen wir am Dinghi-Dock wieder aufeinander und holen uns zum Abschluss ein Chicken Gyros Wrap. Eine einfache Speise mit von allem etwas + gut gewürztes Fleisch um fast kein Geld. Passt also wunderbar.

Am Morgen hat sich das Ankerfeld schon sehr gelichtet. Viele Schiffe sind zu ihren Charterbasen oder in windärmere Gebiete (Pelopones – 80 Meilen entfernt) aufgebrochen. Im Meltemi nach Athen zu fahren, ist alles andere als lustig. Bei 30 kt Wind und 1 bis 1,5m Welle gegen an motoren, das muss man nicht unbedingt haben.
Während wir so frühstücken, kommen die ersten kräftigeren Böen. Da sehen wir, dass ein Dinghi Motorprobleme hat und versucht gegen den Wind zumindest ans Ufer zu kommen. Da hat er wirklich schlechte Karten. Da bei unserem Dinghi der Motor über Nacht drauf geblieben ist, springe ich hinein und fahre hin.
Es gelingt mir, nicht beim ersten Versuch aber immerhin, das Dinghi in Schlepptau zu nehmen und in der Stadt abzuliefern. 3 der Passagiere steigen mit ihren Taschen aus, um eine Fähre zu erreichen. Der Skipper gibt kleinlaut zu, dass sein Motor keinen Sprit mehr hat – sollte eigentlich nicht sein – und bittet mich, ihn zu einem Kollegen zurück zu schleppen. Dort steht schon ein Benzinkanister bereit 😊.
Er meint noch: „Das ist heute ein guter Tag! Erst ¾ 9 und schon 4 Menschen gerettet“. Er selbst hat heute noch einen langen Weg vor sich. Er will bis nach Kea segeln, um dann morgen nur 2 Stunden durch die aufgewühlte See nach Lavrion zu kommen. 10 Stunden aufkreuzen und/oder Motorfahrt gegen den Wind stehen noch vor ihm.

Wir bringen auch unsere Crew an Land. Auch die müssen die Fähre erreichen, um morgen wieder im Büro zu sitzen.
Susi und ich hingegen genießen den vielen Platz am Schiff und nehmen unsere Freiräume wieder in Besitz.
Auch wir lichten den Anker und lassen uns vom immer kräftigeren Wind aus der Bucht treiben. Ja, der nimmt von gemütlichen 12 kt rasch auf 25 kt zu – und dann wieder ab. Spannend ist, dass wir bei der Ausfahrt gleichzeitig auf 2 Fähren und natürlich auch auf die Untiefen entlang der Küste achten müssen. Mit unserer Routine geht das ganz gut, aber sonst wird das schon stressig.

Als wir in Koutalas ankommen, sind nur eine Superyacht und 2, 3 Tagesausflügler da. Wir suchen uns einen netten Platz, wobei „nett“ vor allem bedeutet „gut haltender Boden“. Wir wissen ja, dass der Meltemi kommt, bis 36 kt soll der in Böen haben. Und wir wissen, dass so Buchten die Böen noch verstärken können. Also den Anker in 6m Tiefe auf den Sand gelegt und gleich einmal 30 m Kette dazu. Mit Schnorchel und Taucherbrille schau ich ihn mir noch einmal genau an – nach 1,5m rutschen komplett eingegraben. Das passt also. Später wird dann die Kette auf 50 m verlängert, 15 m haben wir noch als Reserve im Ankerkasten. Dann noch die Ankerwache aktivieren und –
Ja eigentlich gibt es nichts mehr zu tun als abzuwarten was auf uns zu kommt.