Die Vorhersagen versprechen einen richtigen Meltemi von der feineren Sorte: 28 bis 38 kt aus Nord – genau so soll ein Meltemi sein. Und er soll eine gute Woche dauern, um sich auszutoben.

Zunächst aber einmal – nichts! Völlige Windstille. Nur die Wolken über den Bergen der Insel zeigen an, dass da was Ungewöhnliches im Gange ist. Wobei, für die Griechen ist das fast ganz normal, so im Sommer.
In der Nacht, so um Drei soll der Tanz losgehen. Der Meltemi lässt sich Zeit und kommt erst bei Sonnenaufgang um 6. Nicht gerade zaghaft, aber so als erste Vorankündigung schon ganz gut. Immer im Rahmen der Vorhersage. Die Bootsbewegungen sind halt ungewöhnlich.

PHILIA schwoit stark und daher kommen die Böen immer wieder einmal genau auf die Breitseite. Das wird dann mit Lärm, Schräglage und einer kräftigen Rotation an der Ankerkette quittiert. Wir sind einmal kleinlaut und schauen zu, was noch kommt.

Was noch kommt sind ein paar Schiffe. Zu den beiden vom Vortag, einer Amel und einer blauen Yacht, beide aus Frankreich, kommt noch ein Katamaran und eine Halberg Rassy, die einhand gesegelt wird, dazu. Aber nicht zu lange: Der Katamaran hat nur Pause gemacht und die blaue Yacht setzt alles auf eine Karte und segelt ab – keine Ahnung, wo die ihr Glück versuchen wollen.
Später treibt plötzlich die Amel durch die Bucht, gut dass die Bucht so groß ist. Unendlich ist sie aber auch nicht und auf dem Schiff ist niemand zu sehen. Auf den Versuch sie anzufunken, wird nicht reagiert. Da, es kommt doch Bewegung in die Sache, Hektik an Deck, der über den Boden schleifende Anker soll hoch. Kommt er auch, aber er hat was mitgebracht: eine dicke Kette hängt am Anker und macht die Amel manövrierunfähig – und die Felswand am Ende der Bucht kommt immer näher.
Irgendwie gelingt es dem Skipper die Kette und den Anker zu trennen, nicht ohne sich dabei zu verletzen. Zum Glück ist die Amel gut motorisiert und kommt gegen den Wind an. Ein Stück von uns entfernt sucht sie sich einen neuen Ankerplatz. Der Anker wird sofort begutachtet und hält – zumindest jetzt.

Später dann fällt uns auf, dass mitten in der Bucht ein Dinghi unterwegs ist, klein, 2 Personen, 2,5 PS – das übliche halt. Was sie nicht bedacht haben: Was passiert, wenn was passiert – bei 30 kt Wind + dazu passende Wellen? Was passiert war ist, dass der Motor streikt!
Am Schiff CHLOE D’EGEE bricht plötzlich Hektik aus. Die beiden im Dinghi gehören offensichtlich da dazu. Was sich jetzt rächt ist, dass der Skipper der einzige an Bord ist, der mit Schiffsführung irgendwas am Hut hat. Entsprechend langwierig und kompliziert gestaltet sich das Anker-auf Manöver. …. Und das Dinghi treibt weiter in der Bucht herum, in Richtung offenes Meer – Nächster Halt wäre Milos in 24 Meilen.
Die im Dinghi kämpfen aber tapfer, schaffen es, ihren Motor wieder in Gang zu bringen und finden dann auch noch eine Fahrweise, wie sie gegen den Wind vorankommen können: Beide legen sich sehr flach ins Boot und dann Vollgas. Auf Wasserspritzer wird jetzt nicht mehr geachtet. CHLOE, jetzt endlich mobil, kommt ihnen entgegen und nimmt sie auf. Gerade noch einmal gut gegangen. Ob denen Bewusst ist, was sie da getrieben haben?
In der Nacht nimmt der Wind weiter zu, so dass bis zu 47,5 kt (85 km/h, 9 Bf = strong gale = starker Sturm) von uns gemessen werden. Dabei wird PHILIA in und her geworfen, je nach dem, aus welcher Richtung uns die stark drehenden Böen treffen. Erholsam schlafen ist da nicht wirklich möglich. Immer wieder schrecke ich hoch, weil ich das Gefühl habe, das Schiff kippt um. Macht es natürlich nicht, aber so 6 oder 7° Schräglage in beide Richtungen und einen Lärm vom Wind gibt es allemal. Zusätzlich knacken die beiden Schläuche am Bug, die die Seile der Kettenentlastung vor Verschleiß schützen. Die werden sogar an mehreren Stellen durchgeschäuert – PVC Gartenschläuche mit Gewebeeinlage. Die gelten gemeinhin als robust!
In der Früh sind noch 4 Schiffe da. Na, da bin ich einmal freundlich und winke den anderen Skippern (?) einmal zu. So ein freundlicher Morgengruß kann ja nicht schaden.
Im Fall der Amel führt es dazu, dass der Skipper meint, wir hätten vielleicht Hilfe nötig und so schwimmt er die 300 m mit Flossen und Taucherbrille bis zu uns. Er klopft freundlich an die Bordwand und kommt zu einem Plausch ins Cockpit. Patric heißt er und kommt aus Frankreich, also er, seine Besatzung und das Schiff. Gestern sind die mit dem Wind von Kythnos her gerauscht – mit dem Wind, nur einem Fetzerl Vorsegel und trotzdem mehr als 8 kt schnell. Jetzt wissen wie nicht genau, wie die Reise weiter geht. Ist halt doch viel Wind, auch wenn seine Amel für Weltumrundungen in rauen Gewässern gebaut ist. War nett ihn kennen zu lernen.
Kaum ist Patric weg, beginnt CLOE D’EGEE mit Vorbereitungen abzulegen. Dinghi an Deck, Segelkleid vom Großsegel weg, Ankerentlastung weg,… Alles, wirklich alles macht der Skipper alleine. Da wird keine Leine gereicht, oder Platz gemacht, wenn er durch das Cockpit muss – dort findet ja gerade das Frühstück statt.
Langsam taucht dann die Crew, oder soll man sagen die Passagiere in warmer Kleidung und mit Schwimmwesten auf. Die meinen es wirklich ernst. Anker auf und ab nach Süden, bei dem Wind und bei den Wellen. Und nur eine Person, die ein Schiff führen kann.
Echt jetzt?
Wir ziehen uns unter Deck zurück, lesen, faulenzen – die letzte Nacht. Bei einem Rundumblick fällt uns auf, dass die Amel wieder mitten in der Bucht treibt und erst dort langsam den Anker aufholt. Ist der schon wieder ausgebrochen? Jedenfalls hat Patric von dieser Bucht die Schnauze voll und fährt ab. Ohne Segel gesetzt zu haben verschwindet er aus der Bucht nach links, also Richtung Livadi, dem nächstgelegenen Hafen mit Fähranbindung. Da soll noch wer aufs Schiff nachkommen, hat er uns erzählt. Ob das gelingt?
Selbst die Strandbesucher ziehen sich an eine schmale und windgeschütztere Stelle zurück. Viel Strände im Norden und Osten der Insel sind offensichtlich nicht benützbar. Dieser ist einer der wenigen im Süden, der mit dem Auto erreichbar ist. Bald geht es hier zu wie im Gänsehäufel an einem Sonntag.

Wir haben eine Meldung gefunden von „Gale Warning 9 Bf“ in den Kykladen und der Einstellung des Fährverkehrs. Die Fahrt am Meer ist für die Fähren nicht das Thema, aber die vielen Anlegemanöver in den engen Hafenbuchten, das kann schon eine echte Herausforderung sein. Lieber nichts riskieren!
Das Bimini haben wir schon lange abgebaut, damit aber auch die beiden 180 W Solarzellen. Da der Windgenerator bei dem Sturm auch nicht mehr läuft, der hat aus Selbstschutz gestoppt, sind wir erstmals im Stromdefizit. Das ist bei den großen Batterien zwar kein wirkliches Problem, aber wir haben ja einen Plan B: Eine der 180 W Solarzellen können wir auf das Deck binden und mit einem speziellen Verlängerungskabel anschließen. Passt wieder!

Und wir, wir machen es uns so gemütlich wie möglich und warten was noch so kommt. In einer Phase mit weniger Wind und den aus einer günstigen Richtung, gelingt es uns, die Ankerkette von 50 auf 60 Meter zu verlängern, 5 weitere Meter gehen noch für die Ankerentlastung über Bord und der Rest unserer 70 m hängt dann als große Schlaufe ins Meer. Mehr können wir nicht tun.
Am Abend zeigen sich längliche Wolken-Schlieren am Himmel. Irgendwie bräunlich im Farbton. Als Susi dann meint, es riecht nach Rauch ist es klar: Es ist der Rauch der Waldbrände bei Athen, der vom Wind in kaum 2 Stunden bis hierher getragen wird.

Am späten Abend taucht am Horizont noch die Silhouette einer großen schnittigen Yacht auf. Das AIS verrät uns, es handelt sich um KOKOMO: 70m Masthöhe, 85 m lang, führt den größten Gennacker der Welt. Um die Kleinigkeit von 90.000 € darf man sie eine Woche bewohnen. Um den Rest kümmert sich eine 10köpfige Crew. Sie war übrigens der wirkliche Grund für den fatalen Bau der Bayesian, die ja vor einem Jahr in einem Sturm gekentert ist. Der Bayesian Eigner wollte halt einen noch höheren Mast haben, auf einen Rumpf montiert, der für zwei niedrigere Masten ausgelegt war.
Wir schauen uns das Werbevideo für die Vercharterung an. Klar, gibt es da schöne Bilder, wo die KOKOMO schön schräg unter Vollzeug durch das Wasser pflügt. Ist bei dem Luxusbetrieb halt nicht sinnvoll, wie Susi sofort erkennt:
„Die Schräglage, das ist zu viel! Da rinnt mir ja der Yakuzzi aus“
Wenn man sonst keine Probleme hat 🙂