Am dritten Tag im Kolpos Koufo verlegen wir das Schiff nach Norden in das Dorf. Nicht ganz freiwillig, denn der Anker rutscht. Also schnell alles wegpacken und den Kilometer motoren. Passt ganz gut, denn wir brauchen auch Wasser, der 250 l Tank ist leer. An sich kein großes Problem, wir haben weiter 160 l an Bord, aber die Gelegenheit ist günstig.
Was dabei dann auch probiert wird, ist das erste Anlegemanöver mit Buganker. Die Kunst dabei ist es, den Anker so rechtzeitig auf den Boden zu bringen, dass die Kettenläge ein gutes Eingraben des Ankers erlaubt. Andererseits steigt dadurch die Gefahr, dass jemand anderer seine Kette über meine legt. Ist die Kette zu kurz, reißt der Anker vielleicht aus – sollte nicht sein.
Mutig ans Werk, eine Probeanfahrt, um zu sehen, das der Wind so macht. Und dann ein beherztes Manöver. Die Kette ist viel zu lang, aber sie hält. Die Befestigungspunkte am Kai könnten besser sein, zwei einbetonierte Seilschlaufen, ausgefranst und repariert. Aber letzlich geling das Manöver und wir können Wasser bunkern.
Inzwischen kommt ein Segler vorbei, der das Schiff erkennt. Er erzählt, dass zur Zeit 4 Segler aus der Klubmarina Kalamaria, dem früheren Heimathafen der Philia, als sie noch Aiolos of Greece hieß, auch da sind. Er empfiehlt und lieber wo anders einen Platz zu suchen. In der Nacht kommen da öfters große Fischerboote an und verscheuchen dich dann. Umankern in der Nacht ist nicht unser liebstes Hobby.
Wir nützen die Zeit für einen kleinen Einkauf, Brot, Obst, Gemüse – und eine Runde Eis muss auch sein. Sobald der Tank voll ist, legen wir ab und suchen uns einen Ankerplatz im Halbrund des Hafenbeckens. Auch gut, so können wir mit dem Dinghi an Land rudern. Küche und Außenbordmotor bleiben kalt.
Es gibt natürlich auch was zu tun: Im Winter, als das Boot an Land war, konnten wir die Maststufen nicht höher als die erste Saling montieren. Jetzt ist die Zeit dazu. Magdalena, Sophie und Felix sind gerne Klettern, und nun können sie das ausleben.
Natürlich mit Scherungsseil und Klettergurt. Trotzdem ist die Arbeit hoch oben am Mast nicht jedermanns Sache. Abstand zur letzten Stufe ausmessen, anzeichnen, Bohren, Nieten setzen, noch 2 Löcher und noch 2 Nieten – fertig. Ja schon, aber nur die erste Stufe. Wir haben aber 19!
Die drei Teilen sich das aber auf. Nach je drei Stufen wird gewechselt. Also rund eine halbe Stunde hängen sie da oben und bekommen das Material gereicht, oder es hängt ohnehin schon in einem Sack, der mit einem Seil samt Umlenkrolle hochgezogen wird. Erst als der Wind einsetzt und das Schiff zu schwanken beginnt, geben sie auf – aber nur für heute.
Zur Belohnung bleibt heute die Küche kalt, und wir fahren mit dem Dinghi ins Dorf. Herrliches Essen beim Griechen – so ist Urlaub!
Annita, meine lieblings Marinehändlerin hat uns diesen Ort empfohlen. Im Revierführer ist er als einer der schönsten Naturhäfen des Mittelmeeres angepriesen. Kann ja nicht so schlecht sein.
Allerdings ist der Weg vom Kap Kassandra bis dorthin, Koufos liegt an der Südspitze von Sithonia (mittlerer Finger von Chalkidiki), ein Geduldsspiel. Wenig Wind und der von hinten. Geht schon, aber 3 kt Fahrt sind halt auch nicht so arg schnell. Wir denken schon daran, uns noch eine Bucht auf Kassandra zu suchen, da ganz im Süden gibt es welch, als der Wind auffrischt und Philia richtig Tempo macht. Na, dann packen wir die letzten 3 Meilen auch noch. Das Tageslicht ist ja bis 9 Uhr ganz brauchbar, und das geht sich locker aus.
Die Einfahrt zum Kolpos Kuofos ist von hohen Felsen bewacht und die Durchfahrt ist richtig tief, 40 m und mehr. Als wir da durch sind – wow – ein Paradies: auf 2 Seiten durchgehend Sandstrand, auf der einen Seite Hügel mit Wald und im Norden der Ort selbst. Anlegen römisch-katholisch, also mit Buganker und Leinen zum Kai, das trauen wir uns noch nicht zu. Aber Ankern im Südteil der Bucht ist ja auch ganz nett. Außerdem haben wir dann einen Grund, das Dinghi auszuprobieren, um in den Ort zukommen.
Da bleiben wir – vorerst.
Es gibt ja auch genug zu tun: zum einen sind wir einfach müde und brauchen einen faulen Tag. Lesen, schwimmen, mit dem Dinghi zum Einkaufen fahren und dabei über die Handfunke die Bestellungen entgegennehmen (wie dekadent), mal sehen, wie das da alles so läuft, Restaurants sondieren. Wichtig aber auch, ist die Anlegestellen im Ort einmal vom Land aus zu begutachten.
Hier ist einiges anders als im uns bekannten Kroatien. Anlegen „wo Platz ist“, längs an der Mole, quer am Molenkopf, mit Buganker an der Fähranlegestelle – oder einfach im Hafen ankern. Man nimmt einfach an, dass jeder Skipper das ohnehin kann, bleibt gelassen. Da gibt es kein böses Wort.
Es gibt aber auch niemanden, der irgendeine Gebühr kassiert. In Koratien käme bald wer, und versucht Dir Geld abzuknöpfen. Für 6 Tage in der Marina Aretsou haben wir mit Strom und Wasser etwa so viel bezahlt, wie man in Dubrovnik für einen 4 h Stopp verlangt. Paradiesisch!
Der erste Tag war nur ein leichtes aneinander gewöhnen. Der zweite Tag hat da schon mehr auf Lager.
Aufgewacht sind wir bei kräftigen 20 kt, zum Glück ablandigem Wind, So sehr vertrauen wir unserem Anker auch noch nicht. Aber den Wind wollen wir nützen. Anker hoch und sofort lossegeln. Das Frühstück gibt es heute ambulant.
Zu 20kt von hinten passt gut die Genua, das Großsegel bleibt verstaut. In rauschender Fahrt, bei wenig Welle geht es die Küste entlang nach Süd-Osten – Ziel Kap Kassandra auf Chalkidiki. Am Weg dort hin werden wir mutiger und lösen uns von der Küste, so 6 oder 7 Meilen. Immerhin sind wir da schon aus den griechischen Gewässern, die nur bis 5 Meilen vor der Küste reichen. Der Mut wird durch eine kürzere Strecke belohnt. Die muss man sich aber erst verdienen. Hier draußen sind die Wellen höher und Welle von hinten ist nicht so toll, da kommt Philia ganz schön ins Schaukeln.
Am Weg zum Kap, so 5 Meilen davor hören wir einen PAN PAN der Küstenstelle: Es wird noch immer nach einem Schwimmer gesucht, der vor zwei Tagen am Kap in die Strömung geraten ist. Zwei seiner Kollegen konnten gerettet werden. Nun heißt es leider: „Keep sharp look out for a drifting body”.
Das Kap selbst ist einen lange Sandzunge, die weit ins Meer hinaus reicht. Das lädt ja wirklich zum Baden ein. Allerdings gibt es an dieser Seite von Kassandra Strömungen mit mehr als 1,5 kt (2,7 km/h), das schafft ein Schwimmer nicht lange.
Unmittelbar beim Kap ist der Sand zu locker, um unseren Anker zu halten. Nach dem vierten Versuch geben wir auf und suchen uns einen Platz ca. 2 Meilen weiter. Da hält der Anker, aber das Schiff steht so komisch da. Der Wind drückt es nach Osten, die Strömung nach Westen, und so stehen wir mit dem Bug nach Norden. Irgendwie schräg. Wir bleiben aber nicht lange alleine, denn ein Fischer legt sich zu uns. Der kennt die Gegend und er lässt sein Schiff einfach langsam driften. Ankern ist zu beschwerlich, hin und wieder den Motor starten ist viel einfacher!
Letzte technische Vorbereitungen für das Auslaufen in das Seeleben zu Zweit. Kleinigkeiten nur, aber …
Da wär das Drama um die Maststufen: Es fehlen ja nur noch drei von insgesamt 21, aber der Aufsatz für den Akkuschrauber ist kaputt. Lefteris bestellt uns einen neuen, den wir sofortnach der Ankunft in der Marina abholen. Schaut gut aus. Das war’s dann aber auch schon. Nach der ersten (!!) Niete hat er bereits das Zeitliche gesegnet. Naja, 4,8 mm Monell Nieten mit einem Edelstahlstift, das ist schon ganz besonderes Zeug. Aber 44 € ausgeben um nur eine Niete zu setzen?!
Also frag ich mal „meinen“ Rigger Apostolos, den hab ich schon zu Ostern kennengelernt. Sehr kompetent und auch kein Sprachproblem. Er ist in Australien aufgewachsen. Also frag ich ihn, ob denn nicht er die fehlenden 9 Nieten setzen kann. Kostet ihn einen Lacher – in 2 Wochen eventuell. Er und alle seine Kollegen sind zur Zeit komplett ausgelastet. Nicht einmal ein Nietwerkzeug könnte er uns leihen.
Also Plan B oder ist das schon E oder F? Ich hab da noch eine „riesige“ Nietzange. Die ist schon am Boden eine Qual, aber was bleibt uns übrig? Felix nimmt die Herausforderung an. 11 m über dem Deck hantiert er mit dem unhandlichen Ding und es gelingen ein paar Nieten. Dann geht schon wieder nichts. Beim Zerlegen zeigt sich, dass eine der beiden Greifbacken gebrochen ist.
Das gibt’s doch nicht!
Aber: Seefahrer sind Meister im Improvisieren. Diese Backe sieht doch fast genau so aus, wie eine von den kaputten Werkzeugen – einsetzen und schauen ob das geht – funktioniert. Die letzten Stufen kommen auch noch rauf – endlich!
Ähnlich einfach ist der Tausch der Mastlaterne. 3 Mal muss ich dafür in den Mast steigen. Einmal um zu sehen, dass ein Lampentausch nicht reicht und die Reste der alten Laterne mit Gewalt herunter müssen. Beim zweiten Aufstieg ist der Dremel mit der Schleifscheibe mit, und der große Akkuschrauber. SO kann ich dann den Sockel montieren. Und beim dritten Aufstieg dann endlich den Strom anschließen, Lampe rein und Deckel drauf. Test – geht! Jetzt freut mich das Leuchten von oben um so mehr.
Dann gibt es da auch einen Ikea – eh schon wissen. Nur wegen der Klimaanlage fahren die Damen hin. So lange wie sie dort sind, müssten sie durchgefroren sein. Lieder haben wie wieder ein gut gefülltes Auto mitgebracht. Nicht nur Ikea, zu deren Ehrenrettung, auch Lebensmittel ohne Ende. Jede Ecke des Bootes wird angefüllt. Ich glaub, außer Obst und Brot müssen wir den ganzen Sommer nichts nachkaufen.
Ach, und dann war da noch die Sache mit der Lichtmaschine. Die hat auch nicht getan, was sie sollte. Die hat das eher nur so simuliert. Ein paar Volt und ein paar Ampere hat sie ausgespuckt. Wirklich zu wenig um irgendwas vernünftiges damit zu laden. Da muss aber ein Profi ran. Den konnte mir Annita, meine persönliche Yachtausstatterin, rasch organisieren. Der reißt gleich das ganze Ding aus dem Motorraum und sagt: „Mit etwas Glück, bekommt er sie repariert am Montagabend“. Weitere Tage im windlosen und schwülen Hafen – grrrr.
Aus Montagabend wird dann Montag zu Mittag, und aus den 10 min für den Einbau wird dann eine ganze Stunde. Und dann will der Kerl auch noch Geld: 120 € für das Service und 50 € für seine 1 ½ Stunden Arbeit + Wegzeiten + km Geld und was sonst unseren Handwerkern so einfällt. Kann man lassen!
Dann noch einen letzten Weg zu Annita: Kleinkram und 25 m Seil für einen Bullenstander. Der kommt also an das Ende des Baumes und an die Bugspitze. Das verhindert dann, dass bei schwachem Wind und Welle, der Baum unkontrolliert auf die andere Seite knallt und dabei alles Mögliche zerstört. Der macht auch vor Köpfen nicht Halt, und das muss verhindert werden.
Und bei jeder Arbeit die man angreift, bei jedem Deckel den man öffnet, springt weitere Arbeit heraus. Die kommt dann aber auf die To Do Liste, des Seefahrers liebster Begleiter – und dort bleibt sie dann auch eine Zeit lang und reift heran.
Fertig?
Fertig!
Und plötzlich befindet sich auf der Salonwand eine kleine Galerie. Sophie hat mir ihrer Sofortbildkamera, ein furchtbar klobiges und hässliches Teil übrigens, im laufe der 2 Wochen Schnappschüsse gemacht. Die besten davon hat sie dann da gelassen.
Man könnte diesen ersten Abschnitt der Reise auch als „shake down cruise“ bezeichnen. Dabei geht es darum, auch unter widrigen Umständen alle Systeme des Schiffes durch zu testen, um letzte Schwachstellen zu finden.
Also, was haben wir gelernt: Die wesentliche Schwachstelle sind wir selbst. Wie wir mit dem Schiff umgehen, was wir uns und dem Schiff zutrauen. Philia lässt sich sehr fein dirigieren und zeigt genau, wenn es ihr nicht gut geht. Alle unsere Elektronik funktioniert. Auch das Energiesystem (Batterien, Solar und Windgenerator) funktioniert gut. Aber die Lichtmaschine vom Motor tut nicht was sie soll. Die bekommt also noch ein Service verpasst. Das kostet zwar nicht viel Geld, aber 2 weitere Tage im Hafen.
Was wir auch gelernt haben ist, das Segeln in Griechenland „nichts“ kostet. In den 12 Tagen in denen wir unterwegs waren, haben wir nur ein einziges Mal eine Hafengebühr bezahlt: 20€. Ankern ist so wie so immer frei, Muringbojen gibt es nicht. Das gibt eine ungeahnte Freiheit.
Andererseits ist die Kartographie eine Katastrophe. Alle Karten sagen gleich am Anfang, dass sie ungenau sind, noch mit dem Sextanten vermessen. Tiefenmessungen sind großzügig geschätzt und decken sich überhaupt nicht mit unseren Messungen. Nur im Bereich von Häfen sind mehr Messpunkte verzeichnet. Papierkarten von Imray, das Beste was man von Griechenland bekommen kann, sind in einem großen Maßstab und verweisen für die Details auf einen Griechenlandführer vom selben Autor. Das ist eine Schwarte von 3 1/2 Kilo und damit nicht gerade handlich. Aber auch dort sind die Angaben vage, so in der Art: „Links in der Hafeneinfahrt liegt ein Riff, rechts sind Steine knapp unter der Oberfläche. Einfach vorsichtig sein, dann geht das schon – aber nicht in der Nacht“. Man muss also viel mehr auf sich selbst gestellt arbeiten. Auch eine neue Erfahrung.
Die Sache mit dem Anker hatten wir schon, der Pflugscharanker, der pflügt statt zu halten. Der neue Jambo Anker hängt jetzt am Bug und wartet darauf uns zu beweisen, dass er sein Geld wert ist. Und sonst waren da nur ein paar Kleinigkeiten, die wir aber leicht beheben konnten.
Also Philia ist fit für die nächsten Wochen, nur wir haben noch keinen Plan, wo es hin gehen soll. Ich, Jörg, würde gerne die östlichen Sporaden bereisen. Das bedeutet aber immer wieder Überfahrten von 40 bis 50 Meilen, also jeweils einen ganzen Tag. Susi würde sich lieber in den westlichen Sporaden und hinter Euböa verstecken und möglichst schnell ins Ionische Meer kommen. Sie hat Bedenken wegen des Meltemi und der damit verbundenen Wellen.
Das Ionische Meer gilt als windarm, die Ägäis profitiert und leidet unter dem Meltemi. Sie ist sicherlich anspruchsvoller, wir müssen und können mehr lernen. Dafür sind die Inseln aber unberührter und der Yachttourismus ist kaum existent. Das Ionische Meer ist die Verlängerung der Zustände in Kroatien: „Yachties haben Geld, also sollen sie für alles zahlen, und nicht zu wenig, bitte“.