Kategorie: Reise

Unterwegs

  • Wilde Schönheit

    Ikaria ist eine langgezogene Insel mit hohen Bergen und tief eingeschnittenen Tälern. Die Reise von einer Seite zur anderen ist ein Abenteuer. Wer die Fahrt auf engen, gewundenen Straßen im Taxitempo nicht verträgt, sollte nicht hier her kommen 😉

    Wir leihen uns ein Auto, ein ziemlich großes, einen Fiat Punto um 35 € pro Tag. Groß ist zwar bequem und eine gute Klimaanlage hat schon was, aber groß heißt auch, dass die engen Straßen noch enger werden. Naja, wir haben ja Zeit.

    Die erste Fahrt soll von der Nord auf die Südseite der Insel führen. Also auf der Hauptstraße, gut ausgebaut gut 550 Höhenmeter hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Kurven ohne Zahl, aber auch atemberaubende Ausblicke. Enge Gräben sind mit Oleander“bäumen“ gefüllt und erscheinen als rosa Streifen in der Landschaft. Felszacken säumen die Straße an deren Rand Thymian und Rosmarien duften.

    Unser erstes Ziel ist Magganitis. Wir wollen einfach die SO Küste sehen, an der wir vor 2 Jahren im Dunkeln entlang gefahren sind. Magganitis ist ein langgezogenes Dorf, dessen Straße am Hafen endet – wobei „Hafen“ ist eigentlich zu viel gesagt. Eher nur eine Anlegestelle für Fischerboote. Die Hitze fordert ihren Tribut und wir wollen was trinken gehen. Da ist ein Gebäude, dass ein Lokal sein könnte. Davor, unter Bäumen sitzt ein alter Grieche und lässt die Zeit vergehen. Wartet der auf einen Kaffee?

    Wir schauen hinein und sehen eher einen kleinen Laden, ein bisschen was von allem. Dazu zwei Tische und einen eisernen Ofen der mitten im Raum steht. „Ja natürlich können wir was zu trinken bekommen“. Was zu essen auch, nur einen Snack? „Ja schon, aber der Bäcker ist heute nicht gekommen. Daher nur Gebäck in Plastik“. Egal, der Platz ist original Griechisch – wir bleiben.

    Im Nu werden wir in Beschlag genommen. Die Tochter des Hauses, 3 Jahre alt, führt uns unseren Hund Tobi vor, der für sie eine lebende Puppe ist. Susi beginnt mit ihr einen Unterhaltung und bekommt als Anerkennung den Hund auf den Schoß gedrückt. Später kommt denn noch die Freundin dazu, die sich als „Anaiiii“ vorstellt. Als man den Namen als „Anai“ ausspricht wird sie schließlich wütend und besteht auf einem „ANAIIII“.

    Da fällt der Groschen: Sie heißt Anais, kann aber das „s“ noch nicht aussprechen. Jetzt passt die Welt wieder. Die beiden Mädchen beschäftigen sich lange mit sich selbst, laufen herum, freunden sich mit anderen Kindern an – auch über Sprachbarrieren hinweg. Schön, dass da kein Handy nötig ist, um Kinder zu beschäftigen. Diese hier können das ganz alleine.

    Das nächste Ziel soll Agios Kirikos sein. Also wieder auf die „Bergstraße“, durch den einzigen Tunnel den wir bisher auf einer Insel entdeckt haben, und dann weiter hinauf auf 400 m. Dort ist die Straßenkreuzung und es geht dann langsam wieder hinunter zum Meer. Agios Kirikos ist nach Evdilos der zweite Hafen der Insel. Für die Fähren nach Athen liegt er nicht so günstig, dafür ist er vor dem Meltemi geschützt. Heute aber gibt es nur brütende Hitze.

    Wenn wir den Hafen bei Tag gesehen hätten, und nicht erst um 11 in der Nacht, was hätten wir da nicht alles anders gemacht. Platz hat der nämlich reichlich, und wenn man weiß wo, kann man auch mit unserem kleinen Schiff festmachen, ohne die Fähren zu stören. So viele sind das eh nicht, die da am Tag vorbei kommen.

    Wir wollen wieder zurück nach Evdilos zu unserem Schiff, aber nicht aur dem Weg, den wir hergekommen sind. Kann man machen, Wege gibt es genug. Ich suche mir eine Straße aus, die nur eine oder gar keine Mittellinie hat. Die Mittellinien sind so was wie die Kennzeichnung der Wichtigkeit der Straße.

    Neue Hauptstraßen haben eine doppelte (!!) Mittellinie und Randlinie. Dann fällt als erstes die Randlinie weg und kurz darauf wird aus der doppelten Mittellinie eine einfache. Also eine Mittellinie und keine Randlinie, das ist guter alter griechischer Standard, aber da kommen immer noch 2 Autos leicht aneinander vorbei. Spannend wird es, wenn die Mittellinie auch nicht mehr da ist. Dort kann es dann passieren, dass die halbe Fahrspur von der Natur zurückerobert wurde – aber man lässt sie gewähren.

    Nachdenklich sollte man werden, wenn statt Asphalt nur mehr Beton verwendet wird, dann wird es rumpelig. Dann kommt nur mehr Schotterstraße, gerne mit tiefen Auswaschungen. Der Höhepunkt der Straßenbaukunst ist erreicht, wenn Schotterstraßen von kurzen Betonstrecken unterbrochen werden. Das ist ein Zeichen, dass es dort so steil ist, dass beim nächsten Regen die unbefestigte Straße weggewaschen werden würde. Diese Stellen sind dann oft auch noch exponiert, statt Leitplanken gibt es niedriges Gebüsch. Klar, dass Autovermieter dich von solchen Straßen fern halten wollen, denn dafür ist ein Fiat Punto wirklich nicht gebaut 😊

    Wir finden eine Straße ohne Mittellinie, die sich steil nach oben schraubt. Fast 700 m müssen wir hinauf klettern, bis wir auf die Nordseite von Ikaria sehen können. Jetzt noch 170 Kurven und 8 tief eingeschnittene Täler bis Evdilos. Jedes dieser Täler endet mit einem Strand, der vom Fluss, der durch diese Täler rauscht angeschüttet wurde. Nur in wenigen Fällen führt aber auch eine befahrbare Stichstraße (Klasse „Beton“) nach unten.

    Einmal wagen wir es und werden mit glasklarem Wasser, malerischen Felsen und einer Höhle belohnt. Anfang Juni ist offensichtlich noch nicht Saison, und so wird mit dem Herrichten der Beachbar erst begonnen. Wobei: Wo sollen die Gäste herkommen, die zu diesem Strand herunter finden?

    Von dort ist es nur mehr ein kurzer Sprung bis zur Philia.
    Den Abend lassen wir an Bord ausklingen, denn morgen geht es wieder los.

  • Ikarus lässt grüßen

    Das Wetter ist günstig, der Wind ist schwach. In dem Fall ist das gut, denn der Hafen auf der Nordseite von Ikaria, Evdilon heißt er, ist bei Meltemi nur schlecht benützbar. Dafür nimmt man dann in Kauf, dass die Strecke bis zur Südspitze von Chios ganz sicher zu motoren ist. Und dann kommt Hoffnung auf, aber kein nützlicher Wind. Erst nach einem kurzen Segelintermezzo, gefolgt von einer weiteren Stunde unter Motor, gibt sich der Wind die Ehre.

    Gemütlich laufen wir auf Evdilon zu. Evdilon liegt cirka in der Mitte der Nordküste, die insgesamt 40 km lang ist. Der Hafen ist der Hauptfährhafen von Ikaria, auch wenn die Hauptstadt auf der anderen Seite der Insel liegt. Der Flughafen wiederum liegt ganz im Norden und wurde wild in den Hang gesprengt. Und im Süden ist Ikaria so steil, dass dort die Straße endet und nur ganz verwegene, mit einem Geländewagen den Eselspfad befahren.

    Wir sehen eine Yacht kurz vor uns ankommen. Als wir selbst in den riesigen Hafen einfahren, sind wir erst das zweite Segelschiff. Kurz die Küstenwache auf Kanal 12 gefragt, wo wir denn hin dürfen – „opposit of the other sailboat“-  und dann seitlich anlegen. Spannend war, dass die Wassertiefen in den Karten nicht richtig eingezeichnet sind. Sie waren tiefer als angegeben. Auch gut, offensichtlich wurde der Hafen erst kürzlich ausgebaggert. Wahrscheinlich im Zuge der Reparatur der Hafenmauer. Starke Nordstürme haben sie auf einer Länge von gut 80 m einfach eingeschlagen!

    Der Ort selbst zieht sich im Halbrund um den Hafen und steigt steil an. So ist es auch nicht einfach die Küstenwache zu finden, um ihr unsere Aufwartung zu machen. Das Haus ist zwar leicht zu finden, doch um in das Büro im zweiten Stock zu kommen, muss man das Haus von hinten und da scheinbar ebenerdig betreten. Die Straße hinter dem Haus liegt also gut 6 m höher als die auf der Vorderseite. Echt steiles Gelände! Als wir das endlich gefunden haben, ist das Büro natürlich geschlossen.

    Ersatzprogramm: Erholung im Hafenkaffee. Kaum sind die Getränke am Tisch, wandert eine Dame der Küstenwache an uns vorbei. Susi spricht sie an und tatsächlich, sie ist auf der Suche nach uns. Na, dann kann man den Papierkram ja auch gleich machen. Eigentlich ist der ja nicht wirklich nötig: Schon beim ersten Mal einklarieren haben wir beweisen, dass wir unsere Steuern bezahlt haben, keine Banditen sind und unser Schiff ordnungsgemäß versichert ist. Aber wenn sie das erneut prüfen wollen – bitte sehr, uns soll’s recht sein.

    Kaum sind wir zurück beim Schiff, bekommt der Hafen Besuch. Eine 140 m lange Fähre legt an – sehr beeindruckend! Wir sehen, dass die Fähren keine gefährlichen Wellen machen und können unsere Philia die nächsten Tage auch unbeaufsichtigt liegen lassen.

  • Emporio

    Damit die Fahrt zur nächsten Insel nicht zu weit wird, verlegen wir uns in den Süden von Chios. Zunächst nur unter Motor, dann ein Stück weit mit dem schwachen Wind. Erst beim letzten Kap entscheiden wir uns, die Bucht von Emporio anzusteuern.

    Das ist eine enge kleine Bucht für 2 oder 3 Schiffe. Die Einfahrt wird links und rechts von hohen Felsen begrenzt, irgendwo liegen ein paar „vergessene“ Anker im Wasser. Der Grund zumindest in der Mitte ist Sand und hält den Anker bombenfest. Da wir die einzigen sind, sorgen wir uns auch nicht über den Platz. Türkisgrünes Wasser, schon relativ warm, gut windgeschützt, am Ufer ein paar Tavernen – was willst Du mehr!

    Wir rudern an Land und spazieren keine 15 min an den an den Strand Mavra Volia. Der ist was Besonderes. Es sind zwar „nur“ runde Kiesel, die sind dafür allesamt schwarz. Die sind ein Überbleibsel von einem Vulkanausbruch. Spannend ist, dass zumindest für uns nicht klar ist, woher die Steine kommen. Es gibt sie auf Chios nur hier und in den Felsen hinter dem Strand sind eigentlich keine dieser Kiesel zu finden.

    Schaut ungewöhnlich aus, muss im Sommer ur-heiß werden. Jetzt am Abend, ist die gespeicherte Wärme nur angenehm, so als würde man auf einem Kachelofen liegen.

    Selbstverständlich gibt es hier ein Schild, dass das Mitnehmen von Steinen vom Strand verboten ist. Vermutlich wäre der sonst bald über ganz Europa verstreut.

    Uns gefällt es hier, und der Wind nach Süden soll eh erst übermorgen kommen.
    Na, dann bleiben wir doch einfach noch eine Nacht.

  • Klöster im Norden

    Heute sind wir im Norden von Chios unterwegs. Enge Bergstraßen führen uns hinauf zum Bergkloster Neo Moni. Zwischen hohen Bergen eingezwickt und selbst auf einerm Vorsprung liegend wurde da um 1000 n.Chr. ein Byzanthinisches Koster gegründet.

    Natürlich dann auch  mit den nötigen Privilegen ausgestattet. So gab es eine Menge an Steuererleichterungen, dann eigene Steuern nur für das Kloster – eine Judensteuer, die alle auf der Insel lebenden Juden an das Kloster zu bezahlen hatten – Land und Besitz oder gar, dass das Kloster keinen anderen Kirchenhierarchien unterstellt war.

    So konnte sich eine große Anlage entwickeln, in der bis zu 800 Mönche lebten. Heute leben noch 10 „Mönchinnen“ da. Und natürlich ist nicht immer alles prächtig, was da noch steht. Während der Chios Massaker war auch dieses Kloster ein blutiger Schauplatz, man spricht von 2000 Toten and diesem Ort. Im Zuge dessen wurde alles verbrannt was brennbar ist. Die verschiedenen Erdbeben in der Region, zuletzt 1881 haben viel Zerstört, auch wenn zum Beispiel der Glockenturm, der aber schon 1900 wieder aufgebaut wurde.

    Dennoch sind gerade heute noch Archäologen dabei, den Schutt wegzuräumen und die verschiedenen Gebäude zu rekonstruieren. Im Vergleich zu den Zellen der Mönche bei uns, hatten es die Mönche in Nea Moni recht luxuriös. Naja, zumindest vom Grundriss der Räume und der Fenster her. Jetzt kommt es noch darauf an, wie viele Mönche so einen Raum benützen mussten.

    Neben der Kirche, dem Katholikon, selbst hat uns der Speisesaal beeindruckt. Dort steht ein gemauertert Tisch für 50 Personen mit ebenso gemauerten Sitzbänken. Auf der Tischplatte sind Marmorsteine aus verscheidenen Teilen des Klosters zu Mustern gelegt. Vor jedem Sitzplatz eine kleine Nische für das Besteck und den eigenen Teller. Was uns erstaunt ist, dass der Platz für die Füße sehr eng war. Da mussten die Mönche also ganz schön die Beine verdrehen, um dort sitzen zu können. Bequem war das sicher nicht.

    Gegessen wurde ohnehin erst, wenn der Chef ein Glöckchen geläutet hat, und nur so lange, bis das Glöckchen wieder läutet. Essen diente offensichtlich nicht dem Genuss, sondern nur der Lebenserhaltung.

    Schade eigentlich.

  • Schicksalsbaum

    Im Süden von Chios gibt es eine Gegend, die heißt Mastichoria. Das bedeutet, dass in dieser Gegend der Mastix – Baum angepflanzt wird. Der Baum heißt eigentlich anders (pistacia lentiscus) und ist eher klein und gedrungen, aber die örtlichen Bauern haben ihn seit Jahrtausenden kultiviert, um daraus das Mastix-Harz zu gewinnen. Dazu wird die Rinde des Baumes eingeritzt, worauf der Baum ein Harz absondert.

    Bis hierher noch nicht der große Bringer, aber dieses Harz ist aromatisch, eine Art Kaugummi und Gewürz. Wie alle Gewürze wurde es in der ganzen bekannten Welt gehandelt – um viel Geld! Wie immer hatten die Bauern am wenigsten davon. Ein Baum bringt ca. 250 gr Harz pro Jahr, und 1 kg Harz kann er heute um 90 € verkaufen. Die gesamte Ernte in der Mastichoria ist rund 150 t pro Jahr. Da die Menge kaum steigerbar ist, war das schon immer in dieser Größenordnung und hohes Verlangen der Käufer steigert den Preis

    Wer wirklich davon profitiert hat, waren die Herrscher und die Zwischenhändler. Wobei, da gab es auch kluge Herrscher: Einer hatte die Idee, 1/3 der vom jeweiligen Bauern bearbeiteten Fläche, dem Bauern zu schenken, wenn er 50% der Ernte auf diesem „Privatdrittel“ an den Herrscher abgibt.  Der Herrscher wusste, was an Ernte auf den anderen 2/3 möglich ist, und die Bauern hatten Mastix, den sie selbst verkaufen konnten. Ein für die Welt des Byzanz unglaubliches Privileg und eine echte win-win Situation

    Die Venezianer und später die Genueser haben die Städte der Mastichoria befestigt. Innerhalb einer vier oder fünfeckigen Mauer wurden eng an eng Wohnhäuser errichtet. Zunächst eingeschoßig, als die Bevölkerung wuchs, wurde einfach ein Stockwerk drauf gesetzt und immer wieder die Gassen überbrückt, um weitere Fläche zu schaffen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Ort Mesta

    Im Ort Mesa ist das schön zu sehen, wo manche Gassen fast völlig dunkel sind, und die Häuser an manchen Stellen 4 Ebenen erhalten haben.

    Bei so engen Verhältnissen, haben die wenigen freien Flächen rund um die Kirche eine wichtige Rolle für die Entspannung und Kultur in dieser Stadt gespielt. Auch heute kann man das noch gut nachfühlen.

    In einem anderen Ort, in Pyrgi, der etwas großzügiger angelegt wurde, hatte man die Idee die Fassaden mit Sggrafiti (Putzkratzerei in weiß und schwarz) zu verzieren. Schaut sehr ungewöhnlich aus. Ich kannte das sonst nur von einem Haus im Waldviertel in Weyer und vom Vierkanthof im Freilichtmuseum in Stübming

    Diese Privilegien der Bauern und Händler wurden auch unter der ottomanischen Herrschaft von 1200 bis 1850 ausgebaut und beibehalten. Die Besonderheit des Mastix-Baumes hat der Gegend Reichtum und Frieden beschert. Aber, die Bewohner der Mastichoria wollten mehr, sie wollten Unabhängigkeit. Und schlussendlich haben sie gegen die Herrscher aufbegehrt. Was dem zuständigen Pascha nicht wirklich gefiel. Er schickte ein 7.000 Mann Heer, um die 115.000 Bewohner von Chios zu disziplinieren – und der Herr gab keine zimperlichen Befehle:

    • Alle Personen, die sich an den Aufständen beteiligt haben sind zu töten.
    • Alle männlichen Personen unter 3 und über 40 Jahren sind zu töten.
    • Alle weiblichen Personen unter 3 und über 35 Jahren sind zu töten
    • Der Rest ist zu versklaven und zu verkaufen
    • Einzige Rettung für junge Männer wäre die Konvertierung zum Islam

    Und so geschah es dann auch.
    Zwischen Februar und Juni 1822 wurden 40.000 Menschen bestialisch umgebracht, 50.000 wurden versklavt, 15.000 konnten sich auf andere Inseln retten. An einem einzigen Tag wurden in einem Kloster 3000 Männer, Frauen und Kinder erstochen, enthauptet, ertränkt, verbrannt.

    Nur 1.500 Griechen konnten sich in den Bergen der Insel für die Monate des Massakers von Chios verstecken. Die auf der Insel lebenden Türken und Juden wurden natürlich verschont.

    Und die Weltöffentlichkeit?
    Sie zeigte sich bestürzt!
    Na, wenn das hilft Wiederholungen in anderen Ländern zu vermeiden …
    Ah, eh nicht!

    Aber wir haben immerhin was für die Opfer und das Freikaufen der Sklaven gespendet. Das beruhigt das Gewissen ungemein.

    Heute ist es rund um den Mastix-Baum friedlich geworden. Im unabhängigen Griechenland haben sich die Mastix-Bauern zusammen geschlossen, um den Anbau, die Verarbeitung und den Vertrieb gemeinschaftlich zu regeln. Und offensichtlich gelingt das ganz gut. Einfach auf ein Produkt Mastix drauf schreiben, ein Krümel Harz durch die Salbe, das Erfrischungsgetränk und den Kaugummi schwimmen lassen und dann teuer verscherbeln. Ja, OK, Mastix hat bewiesen, gegen Entzündungen tatsächlich zu helfen. Immerhin besser als Granderwasser oder Globuli.

    Aber warum machen das die anderen Inseln nicht nach?
    Der Busch, aus dem der Mastix-Baum hervor geht, gedeiht auf fast allen der Inseln als Teil der Macchie = des Buschwerks. In Chios aber haben die Bauern seit vielen Hundert Jahren den Baum „optimiert“, so dass schon geringe Verletzungen der Rinde deutliche Produktion des Harzes bewirken. Dabei hat sich auch eine Anpassung an die Bedingungen im jeweiligen Dorf ergeben. Das geht so weit, dass die Büsche je nach Ort etwas andere Blätter haben. Und diese Zucht auf den Standort hin, die fehlt auf den anderen Inseln und daher kann der Erfolg des Mastix nicht einfach kopiert werden.

    Faszinierend, was so ein paar Harztropfen alles auslösen können.

  • Feuer!

    Heute wollen wir einen Blick auf die Insel machen, einen Spaziergang durch das Dorf und dann „ein bisschen hinauf“ – zum Füße vertreten.

    Zuerst also durch den Hafen, dann die Gasse mit der Treppe und weiter an der Apotheke und der Kirche vorbei. Zufällig biegen wir einmal nach links, einmal nach rechts ab – hauptsache es geht höher hinauf. Unter uns breitet sich der Hafen aus, die vorgelagerten Inseln, die Bucht, in der 5 Segler verankert stehen.

    Am oberen Ende des Dorfes gibt es einige Baustellen für neue Häuser, dann haben wir den Ort hinter uns. Immer weiter schweift der Blick. Im Süden sehen wir Chios, das ist ja nicht weit weg. Weiter im Osten ist die Türkei ganz nah. Dazwischen, im Dunst, kann man den Kerkis erkennen, das ist der höchste Berg von Samos. Da wollen wir auch noch hin.

    Weiter oben sieht man dann die Inseln die im Osten zur Inselgruppe von Oinoussa gehören. Plötzlich fällt Susi was auf – Rauch.

    Rauchschwaden auf einer Insel, das ist nichts Gutes. Feldstecher haben wir keinen mit, aber meine Kamera kann da gut aushelfen. Irgendwie schafft das kleine Ding eine Brennweite von über 1000 mm darzustellen, und das nütze ich jetzt. Tatsächlich! Ich erkenne eine Flammenfront vom Meer bis auf den Hügel, sicherlich mehrere 100 m lang. Manchmal lodern Flammen hoch auf.

    Irgendwen müsste man jetzt alarmieren, nur wen und wie. Meine Datenverbindung geht noch. Da gibt es sicher eine Feuerwehr in Oinoussa – gibt es, sagt Google. Nützt mir aber nichts, denn die Telefonverbindung über einen anderen Anbieter geht nicht. Ah, Euronotruf, 112 oder so was, das soll immer funktionieren. Das probieren wir, und es klappt. Ist halt nicht ganz einfach mit den Ortsbezeichnungen, die Aussprache ist doch sehr unterschiedlich 😉. Irgendwie verständigen wir uns und nach einiger Zeit und Rücksprache im Notrufzentrum heißt es dann: „Die Professionals werden sich drum kümmern“.

    Natürlich beobachten wir von unserem Bergrücken aus, was beim Feuer geschieht – nichts! Auf der kleinen Insel, auf der es brennt, gibt es einen Militärstützpunkt, insgesamt vielleicht 10 Menschen. Was die nicht können ist großflächige Feuer zu löschen. Wir sehen aber auch sonst keine Aktivitäten. Erst nach rund einer Stunde kommt ein Helikopter aus Chios angeflogen, um sich beim Brand umzusehen. Es ist wohl auch das fatalistische, griechische „it’s nature“ am Werk.

    Wir wandern inzwischen weiter, und erreichen eine kleine Bergkirche. Wobei, überraschend ist das nicht, denn Kirchen gibt es hier auf den setsamsten Orten. Leider ist dort alles versperrt und vergittert. Zur Kirche selbst kommt man nicht einmal näher als 5 m hin. Warum eigentlich?

    Beim Zurückwandern sehen wir, dass zumindest der Rauch nicht mehr so dicht ist. Ob das Feuer von selbst verlöscht?

    Am Abend beschließen wir essen zu gehen. Wir haben da ein Lokal gesehen, dass von vielen Griechen besucht war – ein gutes Zeichen. Als wir hin kommen, ist noch genau nichts los. Der Wirt lehnt an der Bar und unterhält sich mit dem einzigen Gast, der einen Kaffee vor sich hat. Als wir kommen, kommt ein bisschen Leben in ihn. Erst als Susi auf Griechisch was fragt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Dann sprudelt er los: Heute hat er Okra-Schoten und Pasticcio. Also das Pasticcio würde mir schon zusagen. Volltreffer! Er hat das selbst gekocht, also der Chef persönlich – und es ist eine Offenbarung.

    Ich habe mühe es gegen Susi zu verteidigen 😊.