Die dritte Station auf unserer Reise in die Geschichte ist Korinth. Korinth liegt strategisch äußerst günstig an der schmalen Landenge zwischen der Ägäis und dem Ionischen Meer, die den Peloponnes vom Festland trennt. Den Peloponnes zu umrunden ist eine Reise von mehr als 140 Meilen. In der Antike eine Weltreise für sich. Noch dazu gibt es da gleich 3 exponierte Kapps, die es zu umrunden gilt. Zumeist wurden also Schiffe in Isthmia entladen und die Waren am Landweg nach Korinth gebracht. Zumindest bei Handelsschiffen war das so. Kriegsschiffe wurden sogar über Land transportiert!
Ein Tempel für Apollo darf nicht fehlen. Dieser war nie vollständig verschüttet
Nachdem immer und überall die Götter mit im Spiel waren, war Korinth auch ein spirituelles Zentrum. Was heute davon noch erhalten ist, sind die Reste einer schon eher römisch geprägten Stadt, aus der sich der Wandel der Zeit gut ablesen lässt. Die Gebäude sind viel besser erhalten als in den anderen beiden anderen Ausgrabungen, sind sie doch auch mehr als 1000 Jahre jünger.
Korinth war ein Zentrum für Keramiken, die da in großem Stil hergestellt wurden. Einerseits Gebrauchsgegenstände mit immer tolleren Verzierungen und später auch Bildern, andererseits aber auch Figuren als Opfergaben für die jeweils aktuellen Götter. Von den ausgedehnten Werkstätten ist nichts mehr zu sehen, dafür aber Tempelanlagen aller Art – griechisch, römisch, frühchristlich – Geschäftsstraßen und breite Boulevards und prunkvolle Brunnenanlagen. Insgesamt also eine Art Mariazell mit Souvenierläden. Von Wohnhäusern ist wenig zu sehen.
Läden, dicht an dicht. Offensichtlich konnte man gut Geld verdienen.
Abgesehen davon hatte Korinth den Ruf sauteuer zu sein. Passt also auch um Bild einer Pilgerstadt.
Die mächtige zentrale Brunnenanlage
Im Museum sind Ausschnitte detailreicher Reliefs zu sehen, sehr dynamisch dargestellte Statuen, denen immer ein Trumm fehlt. Aber auch Statuenkörper, mit offensichtlich auswechselbarem Kopf. Wer also eine Statue braucht, kann aus vorgefertigten Körpern wählen und der Kopf mit dem eigenen Gesicht wird dann nachgeliefert. Kunst als Industrie – schon vor 2000 Jahren
Was uns aber erstaunt war, dass auf dem Ausgrabungsgelände gleichzeitig und mit nur wenig räumlichem Abstand zwei orthodoxe Gottesdienste abgehalten wurden. Die frühchristlichen Gemeinden waren ja rund um Korinth sehr aktiv (Paulus Briefe an die Korinther), und haben, so wie die meisten Religionen, ihre Heiligtümer an die Stellen der Heiligtümer der Vorgängerreligionen gesetzt. Dass diese Plätzte aber heute noch aktiv genutzt werden, hätten wir nicht erwartet.
Am Weg zurück müssen wir natürlich beim Kanal von Korinth vorbei schauen. Da gibt es zwei Straßenbrücken, die einen schönen Ausblick in den Kanal bieten. Der ist ein spektakuläres Bauwerk. Ein bis zu 67 m tiefer Schlitz in der Landschaft, mit enorm steilen Wänden, so ca. 70° Neigung. An der Wasserlinie ist der Kanal 23 m breit und erlaubt die Durchfahrt von Schiffen mit bis zu 8 m Tiefgang. Tolles Bauwerk, auch wenn es in wenigen Tagen erneut für Renovierungen gesperrt werden soll.
Für die Griechen ist die Kanalgebühr einen nette Einnahmequelle. Ein 50 ft Schiff zahlt zur Zeit rund 440 € für die 3 Meilen lange Strecke. Was die wirklich großen Schiffe bezahlen, möchte ich gar nicht wissen.
Zurück in Palea Epidaurus wird bei Philia noch ein letztes Mal der Wassertank gefüllt und die Batterien mit Landstrom gepflegt. Also, der Landstrom ist nicht besser als der von Wind oder Sonne, aber das Ladegerät kann die großen Bleibatterien besser pflegen, und das wollte ich ihnen vor dem Winter noch gönnen.
Wir pflegen uns bei einem letzten guten griechischen Abendessen, denn schon übermorgen wird mich die Crew verlassen.
Jetzt, mit eigenem Auto, sind wir nicht an Buszeiten gebunden. Wobei, einen Bus von Palea Epidaurus hinaus in die Welt, den gibt es nicht. Aber so weit wollen wir gar nicht, Mykene ist uns schon genug.
Mykene, dass ist eine alte, eine 3.000 Jahre alte Stadt auf einem Hügel oberhalb der Küstenebene. 3.000 Jahre, das ist die ausklingende Steinzeit, so ungefähr die Zeit, in der bei uns der Ötzi gestorben ist. Da gab es diese große, gut befestigte Stadt mit allem was dazu gehört:
Die Schachtgräber, die noch weitgehend ungeplündert waren
Mächtige Befestigungsmauern mit riesigen Steinen. Gräberfelder unterschiedlicher Ausführungen. Eines dieser Gräber war noch nicht geplündert und barg einen unglaublichen Schatz an aus Gold gefertigten Gegenständen und Masken, den Schatz des Priamos.
Sehr dicke Mauern und wenig Raum zum Leben. Dafür aber vor Feinden sicher
Überreste von Wohnhäusern sind zu sehen, eine tiefe Zisterne existiert noch. Von da wurde die Stadt mit Wasser versorgt. Berühmt ist das „Löwentor“, dass den Eingang zur Stadt markiert.
Eigentlich geht’s da zu wie in einer U-Bahnstation: hunderte Leute rennen da durch
Doch auch außerhalb der Stadtmauern gibt es Dinge zu entdecken. Als den Herrschern die Steinkistengräber zu eng wurden, ließen sie sich große Grabkammern bauen. Ein mächtiger breiter Zugang führt zu einem Tor und dahinter ein Kuppelbau in der Erde.
Wie lange man an so einem Grab gebaut haben mag?
Da die Mykener kreisbögenförmige Kuppeln noch nicht bauen konnten, erinnern diese Räume an Bienenkörbe. Große Steinblöcke, fast nahtlos gefügt. Über dem Eingang ein Block unglaublichen Ausmaßes und Gewichts. Gut 120 t schwer ist alleine dieser Stein, der rund 8,3 x 5,2 x 1,5 m misst. Der Raum selbst hat einen Durchmesser von 14 m und ist 12 m hoch. Als runde Kuppel wäre er nur 7 m hoch. Das alles wurde vor mehr als 3.000 Jahren errichtet! Der Bau war über 1.300 Jahre als die größte derartige Kuppel weltweit unübertroffen. Erst die Römer bauten mit dem Panthon eine größere Kuppel.
Dieser Bau hat mich mehr beeindruckt als die Stadt Mykene selbst. Die dort zu sehenden groben Steinmauern lassen halt schwer vorstellen, wie das Leben da ausgesehen haben kann. Wobei, dieser Aspekt, wie haben die Menschen da gelebt, interessiert mich fast mehr als die Gebäudereste. Gebäude sind ja immer nur Mittel zum Zweck.
Wir sind bei weitem nicht die einzigen, die Mykene heute besichtigen wollen. Kreuzfahrtschiffe, die in Nafplio ihre Passagieren an Land setzten, schicken die auch hier her. Das gibt dann immer einen Schwung von Autobussen und Besuchern, die durch die Grabungen gejagt werden. Wir haben aber Zeit!
Von Mykene geht’s nach Nafplio – warum der Ort wichtig sein soll, weiß ich nicht. Ist halt eine griechische Hafenstadt. Vielleich ist Nafplio wichtig, weil es kurzzeitig die erste Hauptstadt des demokratischen Griechenlands war. Aber sonst? Ein paar Gassen, viele Griechen in den Lokalen. Kein Wunder, denn die Touristen sind schon fast verschwunden und außerdem ist es Sonntag. Wir suchen uns was zum Essen – und warten ewig, aber OK, ist halt in der Küchs was schief gegangen. Dann schlendern wir durch ein paar Gassen. Den Weg zur Burg, die mächtig über Nafplio thront suchen wir nicht – zu anstrengend.
So sind wir dann am frühen Nachmittag zurück bei Philia. Wir nutzen die Zeit, um die Segel abzuschlagen. Ist nicht ganz einfach Tücher in der Größe Magdalenas Wohnung vom Mast oder dem Vorstag zu holen und gleich an Deck zu falten. Zu dritt gelingt die Übung aber recht gut.
Die neuen Nachbarn der Philia bereiten sich auch auf den Winter vor. In Summe liegen hier jetzt 4 Schiffe, die alle das gleiche Ziel, Almira Ship Yard, haben. Schon irgendwie nett. Ich bekomme einen Tipp, wie ich das Schlagen der Rollreffanlage im Mast dämpfen kann. Einfach ein Seil um die Stange im Mast wickeln. Nicht ganz einfach, aber es funktioniert. Ruhe in der Nacht ist auch was schönes und so ein klimperndes Schiff macht auch die Nachbarn immer ganz verrückt.
Ein Segelschiff ganz ohne Segel ist für mich aber immer was trauriges. Das ist wie ein Fußballer ohne Beine.
Wenn man schon da ist, muss man die Ausgrabungen von Epidauros sehen. Immerhin sind die sehr berühmt für das größte Amphitheater. Wir wollen da mit dem Bus hin und sind entsprechend früh auf den Beinen – der Bus aber nicht! Der fährt nur Werktags! Und wir Segler kennen die Wochentage ja nicht. Als Alternative bleibt nur ein Taxi, was aber den Vorteil hat, dass wir bleiben können, so lange wir wollen. Und meine beiden Künstler wollen lange bleiben.
Heute Schließtag? Nein, ein Vormittag im Herbst
Als wir ankommen ist es in Epidauros noch sehr ruhig. Wir gehen zügig den Weg zum Theater. Eine riesige und steile Anlage. Die Orchestra (die „Manege“) ist kreisrund. Die Tribünen ragen steil empor und fassen 14.000 Menschen. Nur wenige der Sitzplätze haben auch Lehnen – für die Reichen und Ehrengäste, aber immerhin. 14.000 – das ist das Fassungsvermögen der Wiener Stadthalle. Wo kamen vor 2.500 Jahren all diese Menschen her?
Ich sitze auf halber Höhe und jedes Wort ist zu verstehen
Naja, Kurgäste! Epidauros war die Wiege der „modernen“ Medizin. Asklepius, der Gott der Heilkunst soll hier geboren worden sein und in dessen Windschatten etablierte sich frühe Medizin: Bäder, Schlafen, so dass in den Träumen der Gott persönlich die beste Behandlung verrät, Ärzte, die mit allen möglichen Gerätschaften in den Menschen herumstocherten.
Geräte zum Ausschaben von Wunden. Am Zeh, am Bein, am GehirnOpfergabe oder Spielzeug? Jedenfalls in großer Stückzahl hergestellt
Und natürlich Opfergaben an Asklepius und Apollon. Kultur war auch heilsam und daher auch der Bedarf an diesem enormen Theater, und einer großen Bibliothek. Wobei, das was heute erhalten ist, ist ja „nur“ der Zuschauerraum. Das eigentliche 3-geschoßige Bühnengebäude ist verschwunden.
Spannend ist, dass es in den großen anderen Anlagen auch Gästehäuser, Badehäuser und einen einzigartigen runden Tempel, den Tholos hab. Der Dachstuhl war aus Holz gefertigt und hat immerhin über 1.200 Jahre bestanden. Das Dach musste leicht sein, denn die Griechen beherrschten den Umgang mit Zugkräften noch nicht. Säulen waren gestapelt und wenn ein Erdbeben am Gebäude rüttelt, stürzt es ein.
Das Tholos wird rekonstruiertAuch da schon Sichtschutz in die Heilige Behandlungshalle
Zu dem gibt es ein besonderes Säulenkapitel: Da viele Bildhauer an den insgesamt 40 Säulen arbeiteten, wurde zunächst ein Kapitel als „Vorbild“ für alle anderen geschaffen. Dieses „Modell“ wurde dann aber nicht beim Bau verwendet, sondern sorgfältig „begraben“ und in erstaunlich gutem Zustand wieder gefunden. Unglaublich wie fein da Schnecken, Schnörksel und Blätter aus dem Stein gearbeitet wurden. Immerhin 2400 Jahre ist das Ding alt und ebenso lange vom Erdreich bedeckt gewesen.
Bitte schnell mal 40 Stück davon aus dem Marmor heraus kratzenUnglaublich, und das dann 4x pro Säule und auf 40 Säulen
Wenn es um Unterhaltung geht, darf Sport natürlich nicht fehlen. Also gibt es in einer natürlichen Senke auch ein Stadion. Im Gegensatz zu Olympia gibt es hier aber auch Sitzplätze – naja, die maroden Kurgäste. Auf einer Aufnahme ist zu sehen, wie an den Ausgrabungen gearbeitet wurde. Über 3 m hoch lag die Erde im Stadion. Wenn man 2000 Jahre nicht abstaubt, dann sammelt sich halt was an.
Das Stadion. Gelaufen sind aber nicht die Kurgäste
Die griechischen Bauten und Statuen waren nicht rein weiß, so wie wir uns das heute vorstellen. Den Kern bildeten kurze Säulenstücke oder gar nur Scheiben, aus „billigem“ Muschelkalk. Die Säule wurden zusammengesetzt und fein verputzt. Man muss sich als Bildhauer ja das leben nicht schwer machen. Dan wurden die Bauwerke qietschbunt angemalt, die Mauerfriese mit Ornamenten verziert. Nicht erst die Römer hatten Mosaike auf den Fußböden, wobei die dann schon viel feinere Arbeiten hergestellt haben.
So bunt waren die Häuser innenVerzierungen am Mauersims, außenDie Leute vom Bau haben sich an den Außenwänden verewigt: Wie Aufwändig war der Bau? Wer war der Bauherr? Wer hat aller mitgemacht? Deshalb wissen wir so viel über das Leben der antiken Griechen.
Epidauros, das muss einmal ein wirklich lebhafter Ort gewesen sein. Wasser gab es ausreichend, es muss ein ständiges Kommen und Gehen geherrscht haben. Zu den Mahlzeiten, ich glaube das Wort Diät kannten die Griechen nicht, wurde reichlich gegessen und gleichzeitig Kultur angeboten. So ähnlich wie heute in einem Varieté.
Michaela hat an den Altertümern Blut geleckt und möchte nun das ganze Angebot auskosten: Epidauros, Mykene, Korinth. Nur, dazu müsste man mobil sein. Leihwagen oder so. Also einmal im nahegelegenen Hotel nachgefragt: „Ochi, this is a village, not a city. Maybe in Nafplion“. Kann man machen, aber Nafplion ist 60 km weit weg, und ob die uns einen Leihwagen vorbei bringen. Machen sie! Kostet dann 60 € für einen Tag. OK, wir machen dann 2 Tagen und zahlen dan 2x 50 € – passt. Dafür haben wir dann einen recht guten VW Polo zur Verfügung.
Abends um 8 wird das Auto schon geliefert. Bin gespannt, wohin der uns führt.
Nach zwei Nächten ziehen wir wieder weiter. Immer näher zum Winterlager der Philia in Agii Theodori, ganz tief im Saronischen Golf, fast an der Einfahrt zur Straße von Korinth. Davor wollen wir aber noch tief in die griechische Geschichte eintauchen. Schon der Name des Hafens Palea Epidaurus sagt wohin es uns zieht.
Der Saronische Golf gilt generell als windarm, und so ist es auch heute. Unter Motor ziehen wir langsam der Küste entlang bis wir nur wenige Meter vor dem Hafen einen „Hygienestopp“ einlegen. Michaela und Claudio springen noch einmal ins Wasser, ich geh dann lieber in unserem Badezimmer warm duschen.
Das Anlegen in Palea Epidaurus gelingt problemlos. Die Zufahrt zum Hafen führt zwischen zwei mächtigen Leuchtfeuern hindurch, direkt auf einen kleinen Park zu. Außerhalb des markierten Weges ist es recht flach, also Vorsicht!
Vor dem Park machen wir, wie schon gewohnt mit dem Buganker fest. Gleich hinter dem Schiff steht eine etwas vergammelte Versorgungssäule, um die sich offensichtlich schon länger niemand mehr kümmert. Trotzdem spuckt sie Strom und Wasser aus – kostenfrei. Auch um Hafengebühren kümmert sich niemand. Dafür steht in einer Ecke eine große Tafel, dass 2016 ein EU-Projekt zur Vitalisierung des Hafens begonnen hat. Ist nicht viel übrig von dem Projekt und das Geld ist längst versickert.
Gleich am Nachmittag machen wir einen Spaziergang, um uns umzusehen. Immerhin gibt es hier das „kleine Theater“, ein kleines griechisches Theater und in der nächsten Bucht eine versunkene römische Villa.
Die liegt jetzt ca. 1 m unter der Meeresoberfläche. Der Weg dort hin ist allerdings abenteuerlich. Zunächst kann man dem Wasser entlang gehen, da die Griechen Privatgrundstücke nicht bis ganz zum Ufer zulassen. Was aber, wenn das Wasser diesen öffentlichen Streifen weg frisst? Dann muss man entweder durch das Wasser oder über fremden Grund. Naja, wir machen beides.
Ein nach oben verjüngender Schlitz im Fels führt zur Grabkammer
Am Weg zurück zum Boot schauen wir uns noch byzanthinische Gräber an. Da wurde ein sich nach oben verjüngender Schlitz in den Felsen gehauen und dort, wo sich die beiden Wände treffen, dann eine Grabkammer gebaut. Mitten in Palea Epidaurus sind 5 von diesen Gräbern. Wenn man nicht danach sucht, findet man sie nicht. Ausgeschildert sind die nicht – is ja nix besonderes.
Die Grabkammer ist vergleichsweise einfach und klein
Naja, Palea Epidaurus ist nicht gerade arm an Kultur. War das doch die Hafenstadt zur weit über das Land hinaus bekannt. Daher auch das „kleine Theater“, die römische Villa und vieles mehr, dass da im Boden schlummert. Das Ziel war aber immer die Heilung, die man sich im „Kurort“ Epidaurus erhoffte.
Heute ist Palea Epidaurus ein verschlafenes Nest. Es gibt die üblichen Geschäfte, Restaurants und Hotels – dafür aber keine Gäste mehr. Wenn man was spezielleres sucht, zum Beispiel einen Leihwagen, gibt es nur Kopfschütteln: „We are a village, not a city“ Na dann …
Die Granatäpfel werden reif – es wird Herbst
Heilung suchen wir nicht, aber Epidaurus der Ausgangspunkt unserer modernen Medizin wollen wir schon sehen.
Wieder liegt ein langer Tag vor uns, rund 45 Meilen über den Sarronischen Golf, vorbei an einer einzigen Insel, Agios Georgios. Die Insel haben wir schon in der Nacht gut gesehen. Sie ist von 20 Windrädern bevölkert, dafür keine Menschen. Die roten Lampen sind weit zu sehen, den Leuchtturm braucht es eigentlich nicht mehr. Vorteil für uns: Wir können über lange Distanz die dort herrschende Windrichtung und ein bisschen auch die Stärke ablesen.
Schon kurz vor 8 geht es los. Zuerst aus unserer Bucht und um die Insel herum. Vorhergesagt ist kräftiger Wind aus dem Norden, so mit Böen bis 22 kt – knackig also. Wir lassen die Segel bis zum Kap lieber noch herunten und schauen uns einmal um. Vier andere Yachten sind fast gleichzeitig mit uns gestartet. Das gibt einen guten Überblick über See- und Windverhältnisse.
Am Kap dann fast enttäuschende 7 kt Nordwind. Auch gut – Vollzeug und einen schönen Segeltag. Zumindest bis Mittag, und damit der halben Strecke hält das an. Genau bei Agios Georgios schläft der Wind ein, so dass kaum 3 kt Fahrt übrig bleiben. Naja, wieder einmal der Motor. Wir wollen halt noch bei Tageslicht in Poros an den Kai gehen, was soll’s.
Es waren halt die letzten gesegelten Meilen dieser Saison.
Die Einfahrt nach Poros wird trickreich: Michi hat das Ruder, Claudio und ich machen die Navigation. Nach Poros fährt man einen schmalen schiffbaren Kanal zwischen Kai und einer langen Flachstelle hindurch. Das Fahrwasser ist kaum 40 m breit und macht mehrere Kurven. Legt da ein Schiff mit Buganker an, braucht es die gesamte Fahrwasserbreite für das Manöver. Gleichzeitig passieren aber Schiffe in beiden Richtungen. Sehr spannend. Immerhin haben Schiffe ja keine Bremsen, um mal schnell stehen zu bleiben. Und was die anlegenden Schiffe machen, ist immer unberechenbar. Gelingt das Manöver, muss es wiederholt werden …
Poros ist eine Halbinsel einer Insel, die nur knapp vom Pelopones, der ja selbst eine Halbinsel ist, getrennt ist. Der ganze Ort klebt auf einem Hügel, an dessen Fuß die Molen und Kais gebaut sind. Neben den vielen Charterschiffen, Poros ist quasi vor der Haustür von Athen, gibt es jede Menge an kleinen und größeren Fähren für Passagiere, Autos und kleine LKWs. Und alles wuselt durcheinander, nimmt aber auch durchaus Rücksicht, so dass jeder unbeschadet sein Ziel erreicht. Nur die Wellen sind manchmal unangenehm.
Fast wie am Attersee
Vorsichtig und langsam quetschen wir uns da durch. Immer ein Auge auf das Fahrwasser und eines auf Anlegemöglichkeiten, denn wir wissen auch noch nicht wohin. Um die Ecke, gleich nach dem Platz für die Superyachten, am Beginn des langen Kais für die „normalen“ Schiffe, finden wir ein Plätzchen. Wir passen noch zwischen die Kaimauer und das erste Schiff. Michi macht ein einwandfreies Manöver, die Nachbarn helfen uns mit den Leinen. Noch ein wenig hin und her ruckeln, Abstand zur Mauer regulieren, Pasarella ausklappen, fertig, angekommen.
… und dann gleich beim Eisgeschäft vis a vis zuschlagen – das Leben ist schön!
Wir nutzen den zweitägigen Stopp in Poros für Entspannung und auch ein bisschen für mein Technikproblem. Schon wenige Minuten nach der Ankunft stoppe ich den Tankwagenfahrer und frage nach einem Motortechniker. Er gibt mir eine Nummer, rufe an und der Techiker verspricht in einer Stunde vorbeizukommen. Er will versuchen meinen Thermostat zu beleben. An meiner ganzen Geschichte ist er gar nicht interessiert, sondern er nimmt den Thermostat einfach mit in seine Werkstätte.
Was tut so ein Thermostat? Er regelt das Zusammenspiel zwischen innerem und äußerem Kühlkreislauf und damit die Motortemperatur. Und genau da hakt es. Ich bekomme immer wieder Warnungen, dass der Motor zu heiß ist und wirklich nichts hat bisher Abhilfe geschaffen. In 24 Stunden bekomme ich das Teil zurück, oder vielleicht auch einen etwas anderen. Mal sehen. Nach 24 h ist der Mann tatsächlich wieder da: Der Thermostat öffnet etwas verzögert und dann recht plötzlich, also nicht ganz so, wie es sein sollte. Dann wurde er noch in Aceton gereinigt und jetzt … Wer weiß? Also wieder einmal das Kühlmittel aus dem Motor auslassen und den Thermostat wieder einbauen. Bei der nächsten Fahrt wird dann die Temperatur mit gemessen.
Vor der Einfahrt die Überreste einer mächtigen Burg
Poros selbst ist reichlich unspektakulär. Verwinkelte Gassen, in hafennähe Touristenfallen, weiter weg vor allem enge Gassen. Nicht wirklich toll. Toll hingegen ist die Lage: Die Stadt ist unglaublich gut geschützt und dahinter ragen hohe, dicht bewaldete Berge auf, deren Gipfel heute von Wolken umgeben sind. So wirkt die Szene eher wie ein Hafen auf einem Salzkammergut See. Irgendwie unerwartet und unwirklich für uns.
Aber auch schön entspannend!
Kythnos – Poros: 40 Meilen mit Kurs 280° – Navigation kann so einfach sein
Michi und Claudio reisen in ihre Vergangenheit, und die liegt am Weg in unser Winterlager. Der nächste Stopp ist als schon lange klar: Der Hafen Kamares auf Sifnos.
Die Ausfahrt aus dem Krater von Milos wird noch unter Motor gemacht. Wie so oft steht der Wind genau in die Bucht, anders kann er hier nicht. Aufkreuzen ist möglich, aber viel zu mühsam. Erst nach 5 Meilen, ja, die Bucht ist wirklich so tief, setzen wir Segel – halber Wind, mit 8 kt nicht viel aber gut genug für eine entspannte Fahrt. Wir haben ja Zeit. Dafür bekommen wir bald Besuch. Noch bei den letzten Inseln vor Milos, zwängt sich eine große Fähre an uns vorbei. Immer wieder beeindruckend, diese Dinger.
Kamares selbst, auch ein Fährhafen, wirkt verschlafen und leer. Ein anderes Segelboot steht da, sonst ist es ruhig. Das Schiff zeigt uns wenigstens, wo wir gut anlegen können. Unklar ist nämlich immer die Wassertiefe unmittelbar bei der Hafenmauer. Da gibt es Häfen, wo die Mauer 2,5 m abfällt und selbst unten der Grund noch befestigt ist. In anderen Häfen fällt er Boden aber so flach ab, dass wir mehr als 2 m vor der Mauer anhalten müssen, um nicht unser Ruder zu riskieren. Hier, neben einem anderen Boot schaut es aber gut aus. Michi fährt das Manöver alleine, ich schaue zu und nicke zustimmend, Claudio macht den Anker. Passt.
Ist sie nicht süß, unsere kleine Philia?
Später kommt dann noch ein Charterschiff am Weg ins Winterquartier und eine 80 ft Motoryacht. Richtig putzig schaut unsere Philia daneben aus! Kamares ist der Haupthafen von Sifnos, also ist alles da, um die Reisenden zu versorgen. Einige Tavernen, kleiner „Supermarkt“ – die heißen ja immer so, egal wie klein sie sind – Autoverleih, natürlich schon geschlossen. Viel Platz ist ja nicht in der Bucht, da sie auf allen drei Seiten von hohen Bergen (> 500 m) umgeben ist.
… wie damals …
Und der Strand der U-förmigen Bucht begrenzt einen Sumpf. Somit stehen dort keinerlei Gebäude. Der Ort kann sich also nur unter den steilen Hängen und vom Strand weg ausbreiten. Das ist mühsam und daher wurde weitgehend unterlassen. So ist Kamares ein recht ursprünglicher Ort geblieben.
Selbst die gelegentlich ankommenden Fähren stören diese Idylle kaum. Sehr friedlich ist es da, wohl auch der ausklingenden Saison geschuldet. Macht nichts, uns freuts. Das einzige was uns nicht freut ist, dass am nächsten Tag der Bäcker geschlossen hat. Sonntag – aber woher soll man als Langzeitsegler auch wissen, welcher Tag heute gerade wieder ist?
Die Nacht war jedenfalls sehr sehr ruhig – und der Morgen auch. In aller Ruhe legen die Schiffe ab. Die große Motoryacht, „Forever“ mit rosarotem Licht aufs Heck gestrahlt, hängt wieder einmal am Tankwagen. 2000 Liter Diesel – reicht gerade mal für 4 Stunden Vollgas. Gut, das ergibt dann knapp 200 Meilen. Wenn man vorsichtig ist, reicht das dann auch für die paar Tage bis Poros wo wir sie in kaum einer Woche wieder treffen – wieder am Tankwagen hängend.
Wir brauchen das alles nicht und ziehen gemütlich gegen 11 Uhr wieder los. Diesmal soll es eine Bucht im Süden von Serifos sein. Ein kurzer Sprung von 14 Meilen bei nur ganz wenig Wind, also viel Motor. Nicht so mein Ding, ich würde viel lieber segeln – aber ohne brauchbaren Wind geht’s halt nicht.
Noblicher Gegenverkehr: Die Yacht Rhea am Weg in die Kykladen.
Spannend ist dafür die Koutala Bucht. Die hat 3 „Blätter“, wie ein Kleeblatt, ist rundherum von Hügeln umgeben, die vom früheren Eisenerzbergbai ganz zernarbt sind. Da gibt es Eingänge zu Stollen mit Abraumhalden davor. Horizontale Terrassen wahren wohl die Fahrwege von den Hunten zu den Schrägaufzügen hinunter zu den Sortieranlagen und den Verladestationen am Meer. Auf einer Seite ragt noch eine rostige Verladebrücke über das Ufer hinaus.
Auch am Strand findet man Überreste des Bergbaues. Rostige Tonnen, verfallende Betriebsgebäude, Ketten, die ins Wasser führen und für die Verankerung der Frachtschiffe gedient haben. Vor dieser historisch interessanten Kulisse, versucht sich ein wenig Tourismus zu etablieren – ganz zaghaft noch. Ein oder zwei Tavernen oder Bars sind zu sehen, aber schon längst geschlossen. An anderen Stellen stehen 2. Wohnsitze, frisch herausgeputzt und ungenutzt, eigentlich im Nirgendwo. Ich weiß nicht, wie weit es bis um nächsten Supermarkt ist. Jedenfalls ist es nicht weit nach Athen, denn dort werden die Besitzer wohl leben.
Gerade weil da nichts los ist, ist das Wasser extrem klar. Ich ziehe mich um und schwimme an den Strand. Sandboden bis 2 m vom Ufer. Dort kann ich gerade stehen. Dann eine steile Schotterstufe und dahinter feiner Kies. Etwas weiter nach links wird der Strand dann sandig. Nett ist es da schon, aber was macht man da??
Später kommt eine zweite Yacht dazu, ankert in einiger Entfernung – ist ja auch genug Platz. Das wird einer der wenigen Abende auf diesem Abschnitt, auf dem wir selbst ein Abendessen kochen. Meist bleibt unsere Küche kalt. Der Abend wird noch ruhig. Wir genießen einen unglaublichen Sternenhimmel.
Erst um ½ 11 machen wir uns auf den Weg zu einem weiteren, für Michaela und Claudio wichtigen Hafen: Merichas auf Kythnos. Dort hin haben ihre Klassen, unabhängig voneinander die Maturareise gebucht und sich die beiden dann kennen gelernt. Klar waren sie sehr gespannt, wie der Ort nach 35 Jahren aussieht.
Nur ein zarter Wind treibt uns an, so dass immer wieder der Motor zum Einsatz kommen muss. In Merichas finden wir eine gut gefüllte Mole, die am Rand noch reichlich Platz für uns bietet. Ich mache die Anfahrt und lege unsere Kette aus – naja, nicht ganz ideal, da uns der Marinero im letzten Augenblick noch etwas umleitet. Liegt sie halt schief, wir werden schon nicht als erste auslaufen. Dann sollte das kein Problem geben.
Nicht nur im Hafen sind wir uns begegnet, auch auf See haben wir uns knapp passiert
Merichas ist noch recht munter. Wieder der Fährhafen, wo zwangsläufig mehr Reisende unterwegs sind. Trotzdem ist es zum Beispiel nicht möglich einen Bäcker zu finden – der macht gerade ein paar Tage Pause. Manche Lokale sind schon zu, andere sammeln die verbleibenden Gäste ein. Ein großer Teil der Besucher kommen von den Segelyachten, immerhin 25 stehen da, meist große Charterschiffe mit groén Crews. Na, da kann man noch so manches Moussaka verkaufen.
Am frühen Abend füllt sich die Mole zusehends. „Notfallsplätze“ werden angefahren. Irgendwo, schräg an den Molenkopf, oder zwischen andere Schiffe hinein gequetscht. Hauptsache irgendwo festgemacht. In der Früh, bei der Abfahrt rächt sich das dann – Ankersalat! So auch beim Schiff, das neben uns lag. Die legen zuerst recht mühselig ab. Erst als sie einen Knoten im Festmacher gelöst haben, kann der durch die Klampe auslaufen – hätte man auch anders machen können. Dann ziehen sie mit ihrem Anker einen anderen mit hoch. Und dann haben sie eine kreative Lösung. Da der andere Anker mit seiner Kette quer über ihren liegt, holen sie eine Zange, lösen die fremde Kette vom fremden Anker und …. lassen beides einfach ins Wasser fallen. Damit man keine blöden Fragen gestellt bekommen, einfach zügig abfahren!
Da liegt dann 40 m Kette am Grund und ein Anker irgendwo einfach daneben. Der ehemalige Besitzer des Ankers ist nun am Bug nicht mehr gesichert – irre. Der kann nur mehr einen Alarmstart durchführen, um an der Mole und an seinem Schiff keine Schaden anzurichten. Zum Glück sind das Taucher an Bord, die sich den Anker selbst herauf tauchen können. Wobei, eigentlich tauchen sie hinunter und machen ein Seil am Anker fest. Zum „Herauftauchen“ sind 25 kg Eisen sicher nicht mehr geeignet. Schon unglaublich, was sich manche Skipper trauen.
Wir schauen dem Treiben zu, bis wir quasi alleine in unserem Abschnitt der Mole liegen. Dann muss nämlich unser Anker auch ganz frei liegen – und so ist es dann auch. Mit nur 3 kt fahren wir die 1 ½ Meilen in die nächste Bucht, die eigentlich zwei Buchten sind: Eine Insel wird nur durch einen schmalen Sandstreifen von Kythmos getrennt. Wir entscheiden uns für die östliche Seite dieser Barriere und treffen beim Einlaufen auf Österreicher, die gerade am Abfahren sind. Trotzdem gibt das eine freundliche Begrüßung.
Eigentlich sind es zwei Buchten, nur durch einen schmalen Sandstreifen getrennt
Es gibt aber auch einen besonderen Grund, genau in diese Bucht zu fahren: Hier gibt es eine heiße Quelle. Also heiß ist relativ, heute ist sie auf „warme Badewanne“ eingestellt. Man sagt, dass sie aber auch 50° kann.
Immernoch gibt es blühende Pflanzen. Diese hier bietet den Insekten besonders lange Futter. Sie blüht von unten nach oben. Es dauert gut 3 Wochen, bis die Blüten oben angekommen sind.
Das Ufer ist durch ein üppiges Strand-Belustigungscenter verunstaltet, dass auch schon mehr Besucher gesehen hat als heute – wir sind die einzigen. Die Kellner berichten aber, dass am Wochenende die Bude poppenvoll war. Ausflügler und Charterboote aus Athen! Heute hingegen: Am Abend 5 Schiffe auf jeder Seite. Wir wandern zur warmen Quelle und treffen auf sehr alte Steinwälle. Anders als in Kroatien, wo Steine aus den Feldern am Rand zu einer Mauer aufgestapelt wurden, wurden hier große Steinplatten senkrecht in den Boden gestellt und mit kleineren Steinen seitlich abgestützt und die Mauer verfüllt. Schaut irgendwie seltsam aus, ungewohnt und ganz sicher so beabsichtigt. Immerhin gibt es auf der kleinen Insel Überreste einer 3 000 Jahre alten Stadt.
Wozu man sich wohl die Mühe gemacht hat, die Steinplatten aufzustellen?
Einen Vorteil hat das Belustigungscenter: Es gibt ein Abendessen für uns 😊 Na wenigstens etwas, das nicht der ausklingenden Saison zum Opfer gefallen ist.
Wir gehen recht früh ins Bett, denn morgen steht ein größerer Sprung an.
Sonnenuntergang mit Schafen. Die wohnen auf der Insel und haben nur unter Tags Ausgang.