Schlagwort: Meltemi

  • Meltemi

    Die Vorhersagen versprechen einen richtigen Meltemi von der feineren Sorte: 28 bis 38 kt aus Nord – genau so soll ein Meltemi sein. Und er soll eine gute Woche dauern, um sich auszutoben.

    Zunächst aber einmal – nichts! Völlige Windstille. Nur die Wolken über den Bergen der Insel zeigen an, dass da was Ungewöhnliches im Gange ist. Wobei, für die Griechen ist das fast ganz normal, so im Sommer.

    In der Nacht, so um Drei soll der Tanz losgehen. Der Meltemi lässt sich Zeit und kommt erst bei Sonnenaufgang um 6. Nicht gerade zaghaft, aber so als erste Vorankündigung schon ganz gut. Immer im Rahmen der Vorhersage. Die Bootsbewegungen sind halt ungewöhnlich.

    PHILIA schwoit stark und daher kommen die Böen immer wieder einmal genau auf die Breitseite. Das wird dann mit Lärm, Schräglage und einer kräftigen Rotation an der Ankerkette quittiert. Wir sind einmal kleinlaut und schauen zu, was noch kommt.

    Was noch kommt sind ein paar Schiffe. Zu den beiden vom Vortag, einer Amel und einer blauen Yacht, beide aus Frankreich, kommt noch ein Katamaran und eine Halberg Rassy, die einhand gesegelt wird, dazu. Aber nicht zu lange: Der Katamaran hat nur Pause gemacht und die blaue Yacht setzt alles auf eine Karte und segelt ab – keine Ahnung, wo die ihr Glück versuchen wollen.

    Später treibt plötzlich die Amel durch die Bucht, gut dass die Bucht so groß ist. Unendlich ist sie aber auch nicht und auf dem Schiff ist niemand zu sehen. Auf den Versuch sie anzufunken, wird nicht reagiert. Da, es kommt doch Bewegung in die Sache, Hektik an Deck, der über den Boden schleifende Anker soll hoch. Kommt er auch, aber er hat was mitgebracht: eine dicke Kette hängt am Anker und macht die Amel manövrierunfähig – und die Felswand am Ende der Bucht kommt immer näher.

    Irgendwie gelingt es dem Skipper die Kette und den Anker zu trennen, nicht ohne sich dabei zu verletzen. Zum Glück ist die Amel gut motorisiert und kommt gegen den Wind an. Ein Stück von uns entfernt sucht sie sich einen neuen Ankerplatz. Der Anker wird sofort begutachtet und hält – zumindest jetzt.

    Später dann fällt uns auf, dass mitten in der Bucht ein Dinghi unterwegs ist, klein, 2 Personen, 2,5 PS – das übliche halt. Was sie nicht bedacht haben: Was passiert, wenn was passiert – bei 30 kt Wind + dazu passende Wellen? Was passiert war ist, dass der Motor streikt!
    Am Schiff CHLOE D’EGEE bricht plötzlich Hektik aus. Die beiden im Dinghi gehören offensichtlich da dazu. Was sich jetzt rächt ist, dass der Skipper der einzige an Bord ist, der mit Schiffsführung irgendwas am Hut hat. Entsprechend langwierig und kompliziert gestaltet sich das Anker-auf Manöver. …. Und das Dinghi treibt weiter in der Bucht herum, in Richtung offenes Meer – Nächster Halt wäre Milos in 24 Meilen.

    Die im Dinghi kämpfen aber tapfer, schaffen es, ihren Motor wieder in Gang zu bringen und finden dann auch noch eine Fahrweise, wie sie gegen den Wind vorankommen können: Beide legen sich sehr flach ins Boot und dann Vollgas. Auf Wasserspritzer wird jetzt nicht mehr geachtet. CHLOE, jetzt endlich mobil, kommt ihnen entgegen und nimmt sie auf. Gerade noch einmal gut gegangen. Ob denen Bewusst ist, was sie da getrieben haben?

    In der Nacht nimmt der Wind weiter zu, so dass bis zu 47,5 kt (85 km/h, 9 Bf = strong gale = starker Sturm) von uns gemessen werden. Dabei wird PHILIA in und her geworfen, je nach dem, aus welcher Richtung uns die stark drehenden Böen treffen. Erholsam schlafen ist da nicht wirklich möglich. Immer wieder schrecke ich hoch, weil ich das Gefühl habe, das Schiff kippt um. Macht es natürlich nicht, aber so 6 oder 7° Schräglage in beide Richtungen und einen Lärm vom Wind gibt es allemal. Zusätzlich knacken die beiden Schläuche am Bug, die die Seile der Kettenentlastung vor Verschleiß schützen. Die werden sogar an mehreren Stellen durchgeschäuert – PVC Gartenschläuche mit Gewebeeinlage. Die gelten gemeinhin als robust!

    In der Früh sind noch 4 Schiffe da. Na, da bin ich einmal freundlich und winke den anderen Skippern (?) einmal zu. So ein freundlicher Morgengruß kann ja nicht schaden.
    Im Fall der Amel führt es dazu, dass der Skipper meint, wir hätten vielleicht Hilfe nötig und so schwimmt er die 300 m mit Flossen und Taucherbrille bis zu uns. Er klopft freundlich an die Bordwand und kommt zu einem Plausch ins Cockpit. Patric heißt er und kommt aus Frankreich, also er, seine Besatzung und das Schiff. Gestern sind die mit dem Wind von Kythnos her gerauscht – mit dem Wind, nur einem Fetzerl Vorsegel und trotzdem mehr als 8 kt schnell. Jetzt wissen wie nicht genau, wie die Reise weiter geht. Ist halt doch viel Wind, auch wenn seine Amel für Weltumrundungen in rauen Gewässern gebaut ist. War nett ihn kennen zu lernen.

    Kaum ist Patric weg, beginnt CLOE D’EGEE mit Vorbereitungen abzulegen. Dinghi an Deck, Segelkleid vom Großsegel weg, Ankerentlastung weg,… Alles, wirklich alles macht der Skipper alleine. Da wird keine Leine gereicht, oder Platz gemacht, wenn er durch das Cockpit muss – dort findet ja gerade das Frühstück statt.

    Langsam taucht dann die Crew, oder soll man sagen die Passagiere in warmer Kleidung und mit Schwimmwesten auf. Die meinen es wirklich ernst. Anker auf und ab nach Süden, bei dem Wind und bei den Wellen. Und nur eine Person, die ein Schiff führen kann.

    Echt jetzt?

    Wir ziehen uns unter Deck zurück, lesen, faulenzen – die letzte Nacht. Bei einem Rundumblick fällt uns auf, dass die Amel wieder mitten in der Bucht treibt und erst dort langsam den Anker aufholt. Ist der schon wieder ausgebrochen? Jedenfalls hat Patric von dieser Bucht die Schnauze voll und fährt ab. Ohne Segel gesetzt zu haben verschwindet er aus der Bucht nach links, also Richtung Livadi, dem nächstgelegenen Hafen mit Fähranbindung. Da soll noch wer aufs Schiff nachkommen, hat er uns erzählt. Ob das gelingt?

    Selbst die Strandbesucher ziehen sich an eine schmale und windgeschütztere Stelle zurück. Viel Strände im Norden und Osten der Insel sind offensichtlich nicht benützbar. Dieser ist einer der wenigen im Süden, der mit dem Auto erreichbar ist. Bald geht es hier zu wie im Gänsehäufel an einem Sonntag.

    Wir haben eine Meldung gefunden von „Gale Warning 9 Bf“ in den Kykladen und der Einstellung des Fährverkehrs. Die Fahrt am Meer ist für die Fähren nicht das Thema, aber die vielen Anlegemanöver in den engen Hafenbuchten, das kann schon eine echte Herausforderung sein. Lieber nichts riskieren!

    Das Bimini haben wir schon lange abgebaut, damit aber auch die beiden 180 W Solarzellen. Da der Windgenerator bei dem Sturm auch nicht mehr läuft, der hat aus Selbstschutz gestoppt, sind wir erstmals im Stromdefizit. Das ist bei den großen Batterien zwar kein wirkliches Problem, aber wir haben ja einen Plan B: Eine der 180 W Solarzellen können wir auf das Deck binden und mit einem speziellen Verlängerungskabel anschließen. Passt wieder!

    Und wir, wir machen es uns so gemütlich wie möglich und warten was noch so kommt. In einer Phase mit weniger Wind und den aus einer günstigen Richtung, gelingt es uns, die Ankerkette von 50 auf 60 Meter zu verlängern, 5 weitere Meter gehen noch für die Ankerentlastung über Bord und der Rest unserer 70 m hängt dann als große Schlaufe ins Meer. Mehr können wir nicht tun.

    Am Abend zeigen sich längliche Wolken-Schlieren am Himmel. Irgendwie bräunlich im Farbton. Als Susi dann meint, es riecht nach Rauch ist es klar: Es ist der Rauch der Waldbrände bei Athen, der vom Wind in kaum 2 Stunden bis hierher getragen wird.

    Am späten Abend taucht am Horizont noch die Silhouette einer großen schnittigen Yacht auf. Das AIS verrät uns, es handelt sich um KOKOMO: 70m Masthöhe, 85 m lang, führt den größten Gennacker der Welt. Um die Kleinigkeit von 90.000 € darf man sie eine Woche bewohnen. Um den Rest kümmert sich eine 10köpfige Crew. Sie war übrigens der wirkliche Grund für den fatalen Bau der Bayesian, die ja vor einem Jahr in einem Sturm gekentert ist. Der Bayesian Eigner wollte halt einen noch höheren Mast haben, auf einen Rumpf montiert, der für zwei niedrigere Masten ausgelegt war.

    Wir schauen uns das Werbevideo für die Vercharterung an. Klar, gibt es da schöne Bilder, wo die KOKOMO schön schräg unter Vollzeug durch das Wasser pflügt. Ist bei dem Luxusbetrieb halt nicht sinnvoll, wie Susi sofort erkennt:

    „Die Schräglage, das ist zu viel! Da rinnt mir ja der Yakuzzi aus“

    Wenn man sonst keine Probleme hat 🙂

  • Serifos

    Serifos ist nicht weit weg, so 10 oder 15 Meilen. Wenn man das aber segeln will und der Wind nicht ganz mit der Route einverstanden ist, dann kann das auch fast doppelt so lang werden. Wir haben aber kein Problem damit aufzukreuzen.

    Der Wind ist mit 15 kt aus Nord angesagt und die Wellen sollen so knapp einen Meter hoch sein. Klingt doch prima! Also das Boot zusammenpacken und den Anker heraufziehen. Gleich noch in der Bucht wird das Großsegel gesetzt, konservativ nur im 1 ½. Reff. An der Ausfahrt von Buchten, da kann der Wind oft ungestüme Dinge treiben. Da wollen wir vorbereitet sein – und gut so! An der Ecke pfeift es richtig von hinten aus der Bucht (E-Wind) und der Wind der die Küste entlang streicht (N-Wind) treffen sich und machen einen unberechenbaren Wirbel.

    Sobald wir da durch sind, hat der N-Wind die Oberhand gewonnen und wir können unsere Segelgarderobe und Segelstellungen optimieren. Mit fast 6,5 kt läuft Philia durch das Wasser. Die Richtung stimmt halt nicht! Vor der ersten Wende warten wir aber noch die Schnellfähre nach Kamares ab und tun ihr es dann gleich. Zumindest die Einfahrt nach Kamares können wir anlegen, auch wenn wir dort nicht hinwollen.

    Zu unserer Überraschung dreht der Wind an der Nordspitze von Sifnos ein Stück nach Nordost, und so können wir gleich einmal die Mitte von Serifos anlegen. Livadi geht sich nicht aus, da wollen wir auch noch nicht in. Und die Bucht Koutals, die Bergwerksbucht, liegt sogar etwas im Lee. Die Sache läuft.

    Wir nutzen die Zeit und die Sonne, um wieder frisches Trinkwasser aus dem Meerwasser heraus zu pressen. Der Wassermacher muss sich an die Arbeit machen, die Sonne liefert den Strom dazu. Über 90 Liter werden das heute, so dass wir mit vollen Wasserflaschen und fast vollen Tanks in die Bergwerksbucht einlaufen können.

    Erstaunlich wenig los, für die Hochsaison im August. Eine Superyacht, 3 andere Segelschiffe – zumindest am Anfang. Wir sind ja sehr früh dran, kurz nach 12 Uhr. Da kommt schon noch so einiges nach, und die Tagesausflügler sind auch noch unterwegs. Das sind die unangenehmsten Gäste in der Bucht. Die nehmen kaum Rücksicht auf die langen Ankerketten der „Übernachtungsgäste“, quetschen sich irgendwie dazwischen. Aber immerhin, sie verschwinden auch wieder.

    Irgendwann am Nachmittag kommt ein sehr seltsamer Katamaran in die Bucht: Sehr breit, zwei (!) 15 m hohe Masten, auf jedem Rumpf einer, auf den tragflügelähnliche Segel hochgezogen werden und jede mögliche Fläche ist mir Solarzellen beklebt. Es ist das Schiff ENERGY OBSERVER  1 (EO1) ist ein Labor und Versuchsträger für emissionsfreie Schifffahrt. Aus Sonne wird Wasserstoff gemacht und der, immer wenn Bedarf besteht, in Brennstoffzellen zu Strom umgewandelt, der dann die beiden 40 kW Motoren antreibt. Und wenn der Wind bläst, wird gesegelt. Mehr Info zu dem Projekt gibt es hier.

    Wir hingegen genießen das glasklare Wasser (26°) und die warme aber nicht heiße Luft (28°) und machen so richtig Urlaub. Für Magdalena und Lorenz ist es immerhin der vorletzte Tag am Schiff.

    Am nächsten Tag, so gegen Mittag, machen wir uns auf den Weg nach Livadi, der Hafenstadt von Serifos. Der Wind ist gegen uns oder zu schwach, aber die eine Stunde unter Motor, das halten wir aus. Der verfügbare Ankerbereich ist eine recht schmale Sichel. Schmal, weil der Badebereich die flachen Bereiche in Anspruch nimmt und der Boden dann recht steil auf 10 bis 15 m abfällt. Uns ist es nie angenehm, den Anker einfach in tiefem, vielleicht auch noch trübem Wasser verschwinden zu sehen und nicht zu wissen, auf welchem Grund er liegt.

    Aber wir finden einen Kompromiss mit 10m und gerade noch sichtbarem Sand – passt also. Wir nützen die Chance uns zu verproviantieren: Die nächste Woche ist Meltemi mit Böen bis knapp an die 37 kt angesagt. Die wollen wir in der Bucht Ormos Koutals, der Bergwerksbucht, überstehen. Wenn’s schon pfeift, dann soll wenigstens das Wasser sauber und rund um uns viel Platz sein. Also werden mit dem Dinghi Lebensmittel aufs Boot geschafft.

    Während ich das erledige, schauen sich die anderen die Stadt einwenig an. Zufällig treffen wir am Dinghi-Dock wieder aufeinander und holen uns zum Abschluss ein Chicken Gyros Wrap. Eine einfache Speise mit von allem etwas + gut gewürztes Fleisch um fast kein Geld. Passt also wunderbar.

    Am Morgen hat sich das Ankerfeld schon sehr gelichtet. Viele Schiffe sind zu ihren Charterbasen oder in windärmere Gebiete (Pelopones – 80 Meilen entfernt) aufgebrochen. Im Meltemi nach Athen zu fahren, ist alles andere als lustig. Bei 30 kt Wind und 1 bis 1,5m Welle gegen an motoren, das muss man nicht unbedingt haben.

    Während wir so frühstücken, kommen die ersten kräftigeren Böen. Da sehen wir, dass ein Dinghi Motorprobleme hat und versucht gegen den Wind zumindest ans Ufer zu kommen. Da hat er wirklich schlechte Karten. Da bei unserem Dinghi der Motor über Nacht drauf geblieben ist, springe ich hinein und fahre hin.

    Es gelingt mir, nicht beim ersten Versuch aber immerhin, das Dinghi in Schlepptau zu nehmen und in der Stadt abzuliefern. 3 der Passagiere steigen mit ihren Taschen aus, um eine Fähre zu erreichen. Der Skipper gibt kleinlaut zu, dass sein Motor keinen Sprit mehr hat – sollte eigentlich nicht sein – und bittet mich, ihn zu einem Kollegen zurück zu schleppen. Dort steht schon ein Benzinkanister bereit 😊.

    Er meint noch: „Das ist heute ein guter Tag! Erst ¾ 9 und schon 4 Menschen gerettet“. Er selbst hat heute noch einen langen Weg vor sich. Er will bis nach Kea segeln, um dann morgen nur 2 Stunden durch die aufgewühlte See nach Lavrion zu kommen. 10 Stunden aufkreuzen und/oder Motorfahrt gegen den Wind stehen noch vor ihm.

    Wir bringen auch unsere Crew an Land. Auch die müssen die Fähre erreichen, um morgen wieder im Büro zu sitzen.
    Susi und ich hingegen genießen den vielen Platz am Schiff und nehmen unsere Freiräume wieder in Besitz.

    Auch wir lichten den Anker und lassen uns vom immer kräftigeren Wind aus der Bucht treiben. Ja, der nimmt von gemütlichen 12 kt rasch auf 25 kt zu – und dann wieder ab. Spannend ist, dass wir bei der Ausfahrt gleichzeitig auf 2 Fähren und natürlich auch auf die Untiefen entlang der Küste achten müssen. Mit unserer Routine geht das ganz gut, aber sonst wird das schon stressig.

    Als wir in Koutalas ankommen, sind nur eine Superyacht und 2, 3 Tagesausflügler da. Wir suchen uns einen netten Platz, wobei „nett“ vor allem bedeutet „gut haltender Boden“. Wir wissen ja, dass der Meltemi kommt, bis 36 kt soll der in Böen haben. Und wir wissen, dass so Buchten die Böen noch verstärken können. Also den Anker in 6m Tiefe auf den Sand gelegt und gleich einmal 30 m Kette dazu. Mit Schnorchel und Taucherbrille schau ich ihn mir noch einmal genau an – nach 1,5m rutschen komplett eingegraben. Das passt also. Später wird dann die Kette auf 50 m verlängert, 15 m haben wir noch als Reserve im Ankerkasten. Dann noch die Ankerwache aktivieren und –

    Ja eigentlich gibt es nichts mehr zu tun als abzuwarten was auf uns zu kommt.

  • 35 kt, mit Löchern

    Der Wind hat wie erwartet aufgefrischt und zeigt was er so kann. 20, 25, 30 kt – also bis zu 50 km/h – da zerrt PHILIA schon ganz kräftig an der Ketter. Zerren darf sie, aber nach hinten rutschen darf sie nicht. Macht sie auch nicht. So gesehen alles gut.

    Nicht so gut ist, dass wir uns bei dem Wind nicht vom Schiff trauen. Nicht wegen dem Schiff, aber wegen Wind und Wellen und unserem schwachen Beibootmotor. Wenn der aussetzt, dann sind wir ganz schnell irgendwo. Gegen 30 kt anrudern wäre ein hoffnungsloses Unterfangen.

    Aber wir haben ohnehin genug, um uns zu beschäftigen:
    Platz, also eigentlich das Volumen, ist das Hauptproblem auf Schiffen. Schiffe können enorm viel Gewicht tragen, aber wozu dann halbleere Behälter herum fahren, nur weil es sie als praktische Plastikboxen gibt. Für den Transport von Luft haben wir einfach keinen Platz.

    Werkzeuge kommen gerne in hübschen, stabilen und klobigen Koffern daher. Wenig Werkzeug, noch weniger Zubehör, ganz viel Schaumstoff und Luft. Ich hab ja nicht vor mit meinen Werkzeugen olympischen Weitwurf zu trainieren. Die sollen einfach irgendwo verstaut sein und leicht gefunden werden können.

    Also besteht der Wunsch, einen Werkzeugkoffer gegen eine kleine kompakte Tasche zu tauschen. Susi nimmt sich der Sache an. Wir haben ja eine alte Nähmaschine an Bord, und Stoffe so wie so. Also einen Plan machen, dann überlegen, wie das fertigbar ist und schon geht’s los. Nach knapp 2 Stunden ist die Tasche fertig, sie wird befüllt und verstaut und der große orange Koffer, der wird im nächsten Hafen das Schiff verlassen müssen. Der hat ausgedient.

    Aber wenn die Nähmaschine schon einmal am Tisch steht, kommen da auch noch ein paar kleinere Dinge zustande. Auf der Bimini haben wir neue Stäbe, um die Solarzellen zu unterstützen. Die sind ein 7 cm länger als die alten. Also braucht es da neue Klettverschlüsse. Und die Ventilatoren in den Kajüten bekommen eine Staubschutzhaube verpasst.

    Um 4 wird in der Bucht plötzlich getrötet und gerufen. „Channel 16, Channel 16“. Das ist zwar eine Notruffrequenz, aber wenn sich gleich 3 österreichische Schiffe verabreden müssen, dann ist das auf dem Kanal schon gerechtfertigt. Toni und Gabi von CHRISTINE 1 rufen zum gemeinsamen Abendessen auf. Willi und Ehrentraud von CALYPSO, sie sind heute angekommen, sind dabei und wir sowieso. Weil Toni das größere Beiboot und den stärkeren Motor hat, bietet er uns an, uns zu abzuholen.

    Hier in der Bucht gibt es 1 ½ Lokale, also ein großes auf Fisch ausgerichtetes, und ein kleines mit lokalen Erzeugnissen wie Ziegen oder Hühner.  Wir gehen zu den Fischen und haben einen sehr netten Abend, bei dem allerlei Seglergeschichten ausgetauscht werden. CHRISTINE I ist seit 23 Jahren unterwegs, CALYPSO seit 13 Jahren. Wir mit unseren 4 Saisonen sind da noch richtige Jungspunde.

    Es wird spät, und als wir zur PHILIA zurückgebracht werden hat er Wind aufgehört und über uns wölbt sich ein prächtiger Sternenhimmel. Der Wind hat die Feuchtigkeit verblasen und die Sterne glitzern nur so über uns. Wir gehen noch ein bisschen auf unser Vorschiff und bestaunen diese fernen Welten.

    Schon in der Nacht kommt der Wind wieder zurück, kräftiger als zuvor, um am späteren Nachmittag wieder komplett einzuschlafen.

    Wir nutzen die Chance für einen Ausgang zu CHRISTINE I und sitzen ein paar Stunden bei Gabi und Toni im Cockpit. Natürich bekommen wir ihre Amel Supermaramu im Detail gezeigt. Da sind schon ein paar sehr nette Ideen umgesetzt bei dem Schiff. Aber trotzdem komm ich von dem Gedanken nicht los, dass Amel alles lieber selber entwickelt, als bewährte Lösungen einzukaufen. Und dann ist so manche Lösung doch nicht so praktisch.

    Noch zweimal wiederholt der Wind sich dieses, für uns unerklärliche Schauspiel. Der Wechsel zwischen Starkwind am Tag und am Nachmittag dann wieder freundliche Flaute.

    Am letzten Tag sind alle unsere Arbeiten abgeschlossen, es gibt noch ein wenig Bootskosmetik, aber eigentlich können wir nur mehr Urlaub machen, ein Buch lesen, ins Wasser gehen – oder diese Zeilen schreiben.

    … und das alles in türkis grünem, 25° warmen Meer

    Das Leben ist schön!

  • Kythnos

    Heute geht es weiter, und so wie es aussieht, geht es gegen den Wind – gegen viel Wind. Das heißt also wieder sportlich aufkreuzen und zeigen, was in der Kiste steckt. Kaum sind wir aus dem Windschatten von Serifos geht der Tanz schon los:

    In weiten Schwüngen kämpfen wir uns hart am Wind zur Nordspitze von Serifos. Philia stampft in den Wellen, liegt immer wieder unangenehm auf der Seite. Wobei „unangenehm“ ist so eine Sache: bis 15° Schräglage ist alles fein, darüber beginnt im Salon alles zu rutschen. Wenn man so wie wir aufkreuzen muss, also einmal die Wellen von links und dann wieder von rechts, dann bedeutet „alles“ wirklich alles. Das liegt dann bunt gemischt am Boden, schlittert unter die Sitzbank und fällt dann zum Beispiel in die Bilge unter dem Boiler. Wochen später finden wir dort noch Stifte, die uns schon abgegangen sind.

    20° Schräglage ist sportlich, 25° unangenehm viel und verlangen nach sofortigem Einschreiten, also Kursänderung und / oder Verkleinern der Segelflächen. Bei professionellen Seglern auf ihren hochgezüchteten Rennyachten, spielt sich das Leben ab 30° Schräglage ab. Gehen ist da unmöglich, da wird den ganzen Tag nur mehr am Boot herumgeklettert. Das möchten wir definitiv nicht, auch wenn Philia selbst das aushalten würde.

    An der Nordspitze von Sifnos angelangt, beginnt der Tanz dann richtig. Es fällt der Wellenschatten der Insel weg und der Wind hat viele Meilen Zeit, schöne 1 m Wellen auf uns los zu schicken. Gleichzeitig nimmt er etwas zu und wir die Segelfläche weg. Also nicht ganz, aber so, dass wir mit 5,5 bis 6 kt über die Wellen reiten.

    Nach zwei Schlägen erreichen wir die Südspitze von Kythnos und wieder ruhigeres Wasser. Susi ist von der Schaukelei ganz schön geschafft und ich muss mein Versprechen einlösen, unter Motor und im Windschutz weiter zu fahren. Den Wind kann ich nicht überlisten, wohl aber die Wellen. Die sind dicht an der Küste wirklich viel angenehmer.

    Wir schauen uns dabei die ganze Zeit die Augen nach der LAUSA aus, meinen sie einmal weiter im Westen, ein andermal weiter im Norden zu sehen. Weit gefehlt! Erst als wir an der Einfahrt zu Merichas vorbeifahren – dort ist offensichtlich viel zu viel los = Segler fahren am Nachmittag um 3 aus der Bucht – erreicht uns die Nachricht, dass LAUSA eine Bucht weiter nördlich liegt.

    Wir versuchen noch einen Platz in der Doppelbucht Kolona zu bekommen, aber auch da ist schon alles zugeparkt – Hochsaison. Was soll’s, machen wir es halt so wie die LAUSA und legen uns in der Episkopi Bucht neben sie. Platz ist dort genug.

    Spannend für uns ist, was sich am Strand abspielt: High Society – oder wer sich dafür hält. Von einer sicheren Position in einer Bar, können wir zum Beispiel eine Dame beobachten, wie sie gut 20 Minuten braucht, bis sie endlich so schön ist, dass sie sich im Liegestuhl präsentieren kann. Umhängetuch, ja oder nein, die Badeschuhe links oder rechts von der Liege, oder vielleicht doch am Fußende. Die Liege dann noch ein Stück in den Schatten gerutscht, den Hut am gelockten blonden Haar drapiert – und dann festgestellt, dass der Hut mit der Lehne der Liege kollidiert. Nur noch ein bunter kühler Cocktail, gebracht vom durchtrainierten oben ohne Kellner, kann diese vertrackte Situation noch retten.

    Was geht es uns da auf der Philia gut! Die Liege ist fix montiert und der Schatten immer ausreichend, die Getränke sind zwar nicht bunt, dafür aber kühl und rasch zur Hand. Und bis zur nächsten Liege muss man 60 m weit schwimmen.
    Das nennen wir Erholung!

    In diesem entspannten Zustand planen wir die letzte große Querung dieser Saison. Von Kythnos nach Poros sind es 43 Meilen. Die erste Hälfte begleitet uns noch der Meltemi – der kommt hier von rechts – und dann immer schwächer werdender Wind in den Sarronischen Golf. Bis man dann in Poros und der von vier Seiten geschützten Bucht ankommt.

    Mal sehen, wie’s wird.